Am Montag ist Feiertag. Die aktuelle Regierungspartei hat diesen Feiertag erlassen, um sich selbst zu feiern. So ungefähr, als ob in Deutschland ein bundesweiter CDU/SPD Feiertag begangen wird. Aber egal, wir freuen uns und packen unsere Koffer, denn wir wollen uns am verlängerten Wochenende endlich mal einen der vielen Nationalparks Ugandas anschauen. Wir packen am Vormittag die Koffer und gegen Mittag sitzen wir dann in unserem Wagen und brechen auf in Richtung Lake Mburu, ca. 250 km südwestlich von Kampala. Aus dem dichten Stadtverkehr wühlen wir uns in ca. 45 Minuten heraus und plötzlich sind wir auf dem Land. Die Teerstraße ist zunächst noch gut und wir kommen flott voran. Kurz hinter Masaka wird die Straße aber erheblich schlechter und ich bin mehr auf der Bremse als auf dem Gas, um den Schlaglöchern auszuweichen. Etwa 20km hinter Masaka fängt aber irgendetwas im oder unterm Wagen an zu klappern. Hmmm. Wir halten an und ich gehe ums Auto herum, um zu schauen, kann aber nichts finden. Wir fahren weiter. Plötzlich weiß ich nicht mehr, ob ich in einem James Bond Film bin oder im Krieg in Afghanistan - der Wagen bricht plötzlich hinten nach unten weg, als ob uns jemand in den Reifen geschossen hätte. Dann ein schreiend lautes Kreischen und Kratzen und es zieht den Wagen nach links von der Straße runter. Zum Glück war links von uns ebene Fläche und ich steuere den Wagen behutsam vom Asphalt herunter. Der Wagen bremst auch wie wahnsinnig, ich könnte also gar nicht mehr schneller fahren. Ich steige aus, schaue nach links hinten und traue meinen Augen nicht: Das Rad links hinten ist ab! Die Radaufhängung samt Bremsscheibe sind auf dem Asphalt entlanggerutscht, haben beim Runterfahren von der Straße die Asphaltkante abgefräst und haben sich jetzt in den Erdboden hinein gegraben.
Ich reiße mich von dem Anblick los und gehe – es ist ja eigentlich fast idiotisch – an der Straße zurück, um das Rad zu suchen. Und tatsächlich: 50 Meter weiter vorne liegt es im Gebüsch. Sofort stürmen ein paar Jungs und zwei Bauern, die auf den Feldern gearbeitet haben, zu mir und brabbeln irgendetwas. Ich schaue auf den Boden und sehe dort doch tatsächlich auch noch eine Radmutter liegen. Ich sage ihnen, sie sollen das Rad zum Wagen rollen und mir helfen, die anderen Muttern zu suchen. Und tatsächlich wir finden immerhin 4 von 6 Muttern im Straßengraben.
Adrian untersucht sofort fachmännisch den Schaden, ich bestaune die Kerbe im Asphalt, die wir gefräst haben und sichere die Unfallstelle (mit Ästen), Mirella läuft kreidebleich auf und ab und murmelt „ohmeingottwirhättentotseinkönnen, ohmeingottwirhättentotseinkönnen, …“ und Prinzessin Leona ist von dieser unerwarteten Unterbrechung ihrer Reise einfach nur gelangweilt.
Kurze Zeit später können wir einen „Expert-Mechanic“ vom 2km entfernten Dorf organisieren, der die verbogene Bremsscheibe wieder lockert und gerade biegt, die halb abgerissenen und losen Metallreste entfernt und die Radaufhängung wieder dazu bringt, dass sie sich dreht.
Richtige Ersatzteile gibt’s leider keine. Dann darf das Reserverad jetzt mal zeigen, was es drauf hat und wird angeschraubt. Nach ca. 3 Stunden sind wir also schon wieder flott und ich muss nur noch den Mechaniker von 250.000 Uganda Shilling herunterhandeln auf 40.000 Sh. Er hielt unseren Unfall wohl für die Chance seines Lebens, frühzeitig seinen Vorruhestand zu finanzieren (40.000 Sh. sind immer noch etwa 4 volle Taglöhne!). Um eine Erfahrung reicher und ein paar Muttern ärmer fahren wir dann also (etwas langsamer und misstrauischer) weiter.
Langsam wird es dunkel und wir tuckern weiter unserem Ziel entgegen, es wird dunkel. Ca. 30km vor dem Park fängt bei mir eine gelbe Lampe an zu leuchten. Der Motor klingt heiser und ein Blick auf die Temperaturanzeige bestätigt meine Befürchtung: Die Anzeigenadel hängt ganz oben bei "Hot". Shit, ich fahre sofort links ran und dann sehe ich es auch: unter der Kühlerhabe steigt dicker weißer Dampf auf, die letzten Tropfen Kühlwasser verabschieden sich gerade. Adrian will sofort wissen, was diesmal kaputt ist, Leona beschwert sich über die erneute Unterbrechung, Mirella fragt besorgt, ob die Kinder aus dem Wagen raus müssen, weil er vielleicht gleich explodiert, und ich muss die drei Leute begrüßen, die sich alle gleichzeitig um den Wagen kümmern wollen. Tatsächlich ist einer von denen auch ein richtiger Automechaniker, der mir gleich stolz einen zerfetzten "Fan-Belt" zeigt (deutsch: Kühlerventilatorriemen oder so, Foto unten vom nächsten Morgen).
Ein weiterer Riemen fehlt wohl komplett, ist unterwegs irgendwann weggeflogen und der dritte hat es halt einfach nicht mehr gepackt, den Ventilator im Kühler zu betreiben, deshalb hat das Kühlerwasser angefangen zu kochen. Er schwingt sich dann auch gleich auf ein Boda-Boda (Moped) und fährt damit in die nächste Stadt. Das dauert jetzt allerdings erst mal, bis er die richtigen Ersatzriemen mitgebracht hat und während Mirella und die Kids sich im Wagen hinlegen, schiebe ich draußen Wache. Irgendwann gegen 23:00 ist der Motor dann zwar wieder flott, aber ich bin müde und hab auch keinen Bock mehr, groß rumzuhandeln, drücke meine 140.000 Sh. ab und fahre im Schneckentempo weiter. Jetzt ist es wirklich pechschwarz draußen und die Straße besteht teilweise aus aneinandergreihten Löchern und Rissen. Irgendwann gegen 01:00 am nächten Morgen sind wir dann dort und fallen todmüde aber doch irgendwie froh in unser Zelt im Nationalpark. In den nächsten zwei Tagen geht es dann zu Fuß, im Boot und im Auto auf Abenteuerreise.
Impalas (ugandische Antilopen) und Topis:
Scheue Zebras:
Ankole Rinder:
Büffel:
Heuschrecken:
Warzenschweine:
Afrikanische Fischadler:
Nilpferde:
... und noch viele andere mehr in ganz ursprünglicher Landschaft:
Anders als in Deutschland wird die Religion hier richtig gelebt und geliebt. Unser Watchman David hat nicht lange mit der Frage auf sich warten lassen: „And you? Do you believe in the living god?“ Und der lebende Gott ist nicht einfach nur ein bisschen Liturgie und eine trockene Bibelstunde, sondern die feste Überzeugung, dass Gott nicht als abstrakte Vorstellung existiert, sondern als konkret vorhandene und agierende Persönlichkeit. Und so wurden wir von ihm auch prompt mehrfach zu einem Gottesdienst in seine Kirche eingeladen. Weil sich Mirella eine schmucke Gospel-Veranstaltung á la Whoopie Goldberg oder Blues Brothers vorgestellt hat, machten wir uns vergangenen Sonntag auch prompt auf den Weg dorthin. Beide Autos voll geladen mit den beiden Familien.
Wir fahren also nach Luzira, einen Stadtteil weit im Osten von Kampala, um David’s Pentecostal Church zu besuchen. Von der asphaltierten Straße biegen wir irgendwann ab und fahren durch enge Gassen zwischen wackeligen Häusern, Wellblech- und Lehmhütten. Irgendwann halten wir auf einem mehr oder weniger verwahrlosten Platz zwischen einigen Häusern an und parken direkt vor der Haustür von irgendjemandem. Tatsächlich klingt schon Kirchenmusik in der Luft. Bloß wo ist die Kirche?
Durch einen schmalen Eingang hinter einem der Hütten geht es ins Halbdunkel einer großen Halle. Die Wände bestehen noch nicht einmal aus Wellblech, sondern aus einfachen, verbeulten Blechen. Das Dach besteht aus Wellblech, das mit Stricken an den einfachen Hölzern befestigt ist, die den Dachfirst bilden. Der Boden ist derselbe rote Staubboden wie draußen auf der Straße. Wo ich den Altar erwartet hätte steht eine Empore mit einem Sofa, das für uns - die Ehrengäste - reserviert ist. Rechts daneben ein Tisch, auf dem ein elektrisches Piano steht, ein paar Bücher und ein ferngesteuertes BMW Auto, das dem Sohn des Preachers gehört. Auf einem Sessel daneben sitzt momentan noch der Preacher.
Während wir eintreten, ist der Gottesdienst mit ca. 40 Anwesenden im Alter von 3 bis 50 schon im Gange. Gerade erzählt eine Frau ein „Testimonial“, in dem sie berichtet, wie sie den lebendigen Gott im Alltag gespürt hat. Ihr folgt ein Mann und dann wird gesungen. Die Klarheit, Lautstärke und Inbrunst der Gemeinde sind tatsächlich beeindruckend. Da kann sich sogar jeder Weihnachtsgottesdienst in Deutschland verstecken. Für einen Moment kommt tatsächlich ein echtes Gospel-Feeling auf, aber kaum bewegt sich einer von uns vieren auf dem Sofa, auf dem direkt vor der Gemeinde trohnen, schon steigt ein Gestank nach Katzenpipi und Moder vom Sofa auf. Ich bin nur heilfroh, dass keiner die Kinder versteht, wenn sie sich auf deutsch darüber beschweren.
Schließlich ergreift der Preacher das Wort und heißt uns zunächst herzlich willkommen woraufhin ich mich als Familienoberhaupt ebenfalls erhebe und mich meinerseits sehr herzlich für die Einladung bedanke. Und dann legt der Preacher los… ein richtiges Video davon zu machen, scheint mir absolut unpassend zu sein, aber ich lasse ab und zu mal die Kamera mitlaufen, um etwas Ton aufzunehmen. Der Preacher legt sich so richtig ins Zeug und wettert, droht, schimpft und beschwört die Gemeinde voller Inbrunst „you must fear the Lord!“. Mir fällt es schwer inhaltlich zu folgen, aber beeindruckend ist es auf jeden Fall.
Adrian wird es inzwischen etwas langweilig, so dass er kurzerhand aufsteht und ein wenig über die Empore schlendert, hinüber zum Preacher und sich direkt neben ihm hinsetzt, um ihn zu beobachten und vielleicht auch, um zu verstehen, warum der Mann denn da so schreit. Leona, die natürlich gar nichts versteht, ist inzwischen schon so heiß und langweilig, dass sie sich zwischen Mirella und mir auf dem Sofa hinfletzt, so dass ihr der Rock bis an die Unterhose hochrutscht. Während Mirella und ich sie mit eindringlichen Zischlauten und drohenden Blicken ermahnen, sich noch ein wenig zusammen zu nehmen, hat Adrian das BMW Auto entdeckt und will damit quer über die Empore fahren. Ohhh nein… ab in die Ecke mit ihm, hinter den Tisch mit dem kleinen elektrischen Piano.
Aber zum Glück steuern wir schon kurze Zeit später dem Höhepunkt entgegen, dem „Blessing of the Lord“. Ähnlich unserer Eucharistie stellen sich diejenigen, die sich berufen fühlen vor die Empore, „to feel the power of the Lord and to get rid of evil sprits“. Während die Gemeinde „Let the spirit oft he Lord come down“ intoniert, legt der Preacher einem nach dem anderen die Hand auf die Stirn und durchdringt ihn mit „the spirit ot the Lord“. Bei den meisten führt es zu einem erhabenen oder erleichterten Ausdruck, eine Frau fängt an wie wild am ganzen Körper zu zittern, eine andere stürzt prompt zu Boden und bleibt dort liegen, bis sie sich nach einigen Minuten wieder aufrappelt. Ich muss schon sagen, das ist sehr beeindruckend.
Danach wird noch ein wenig Geld gesammelt, damit der Boden der Empore mit noch mehr Kacheln hergerichtet werden kann. Ein Sack Zement kostet 24.000 Shilling (ca. 10 €) und wir spenden 10.000 Sh., der Rest kommt von der Gemeinde. Dann ruft der Prediger noch Personen aus der Gemeinde auf, die ebenfalls noch einige Worte an alle richten wollen. Jennifer hält noch ein kurze, aber sehr prägnante Predigt, die bei der Gemeinde sehr gut ankommt, die Predigt des Preachers aber fast in den Schatten stellt. Unser David dann ebenfalls, und dann fühlt sich sogar Mirella berufen, ein paar Dankesworte an die Gemeinde zu richten. Und weil das so gut ankommt, bittet der Preacher auch mich, noch ein paar Worte zu sprechen. Das tue ich gerne, auch wenn ich mich dabei zurückhalte.
Es wird noch ein wenig weiter gepredigt, während Adrian entdeckt wie toll laut es donnert, wenn er mit der Faust gegen die Blechwände haut. „The nice and friendly family from Germany“ bringt ihren Sohn mit eindeutigen Drohgebärden und nach einem kurzen Handgemenge zum Stillsitzen; aber ich vermute, der Preacher hat auch erkannt, dass es so langsam Zeit ist, zum Schluss zu kommen und beendet nach ein paar weiteren Ermahnungen an die Gemeinde den Gottesdienst. Total nett und offen verabschieden sich viele Gemeindemitglieder mit dem typisch weichen afrikanischen Handschlag von uns. Mit David’s Familie setzen wir uns wieder in unsere Autos und fahren Richtung Heimat, natürlich nicht ohne vorher vom Preacher noch einmal zu sich nach Hause eingeladen zu werden. Aber wir sind erstmal ganz auf irdische Dinge eingestellt: Leona muss pieseln, Mirella’s Magen knurrt laut und vernehmlich und Adrian muss dringend 100m rennen oder irgendetwas treten oder boxen.
Auf der Rückfahrt erzählt mir unser Watchman David noch ein wenig: Er war bis vor kurzem noch in einer anderen christlichen Kirche, bis er mehr oder weniger zufällig auf einen anderen David (aus Tansania) gestoßen ist. David aus Tansania war ursprünglich Ingenieur und hat in Tansania als Tourist Guide gearbeitet. Er war dort auch verheiratet. Dann hat er irgendwie einen Kontakt zu den Mormonen bekommen, die ihn auf eine Ausbildung nach Australien geschickt haben, um Mormonenprediger zu werden. Dann ging er nach Uganda, um dort eine Kirche aufzubauen. Den Mormonen, die ihn dort besuchten und finanzierten, war die Kirche aber nicht mormonisch genug, deshalb haben sie ihn kurzerhand sitzen lassen und er ist zurück nach Tansania gegangen. Dort hat er aber leider festgestellt, dass seiner Frau erzählt wurde, er würde nicht mehr wiederkommen und deshalb hatte sie sich auf und davon gemacht, um einen anderen zu heiraten. Daraufhin ging David von Tansania wieder zurück nach Uganda, um dort bei seinem Onkel zu leben. Der hat ihn nach ein paar Monaten aber auch vor die Tür gesetzt und schließlich stieß er irgendwie mit unserem Watchman David zusammen, der ihn mit zu sich nach Hause nahm. Zuhause nahm Jennifer, die Mutter von unserem Watchman David und sechs weiteren Töchtern, David aus Tansania auf. Der begeisterte unseren Watchman David mit der Idee, eine neue Kirche hier in Kampala zu gründen: David aus Tansania wäre der Prediger, unser Watchman David könnte die Kirchenmusik machen, weil er gut Klavier spielt. Und so geschah es dann wohl auch, obwohl unser Watchman David und seine Mutter Jennifer einen gewissen Vorbehalt doch nicht ganz los werden können.
Nun, ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, deshalb erlaube ich mir hier kein überhebliches, bewertendes oder abschließendes Urteil. Aber zwei Dinge weiß ich: In dem Moment, als Jennifer ihre kurze und prägnante Predigt hielt, spürte ich beim Preacher einen gewissen Neid gepaart mit einem persönlichen Geltungsdrang, so in etwa „hey, das hier ist meine Gemeinde, das hier sind meine Pfründe!“. Und das andere ist das Handauflegen durch den Preacher, um den anderen zu befreien, zu erlösen, oder was auch immer. Dies ist ein Extrem einer religiösen Praxis, die unter „Fremderlösung“ fällt. Und damit genau dem gegenübersteht, was ich für richtig und vor allem hilfreich halte: Selbsterlösung. D.h. es obliegt jedem einzelnen, sich zu erkennen, an sich zu arbeiten, sich zu verbessern, und zu vervollkommnen. Alles andere sind in meinen Augen Wege in eine Abhängigkeit und nicht in Richtung Freiheit. Und dies halte ich gerade im afrikanischen Kontext für umso wichtiger. Aber dies ist wohl eine individuelle Erkenntnis und Entscheidung. All das wird aber in den Schatten gestellt von der unbändigen Begeisterung, dem Engagement und der Hingabe der Menschen, von der ich mir als vergleichsweise spröder, trockener, konservativer und stets kritischer Westeuropäer so manche Scheibe abschneiden kann und sollte.
...drive? Ohhhh no! That's what you may think - but things are different here:
I captured this on a wine package of a friend of ours. Actually it's cool, as it really considers local circumstances. "Don't drink and drive" is not relevant for about 95% of the population, as they have nothing to drive with! On the other hand it could of course be misinterpreted into "Don't drink and walk on the road, you may be killed. You better drink and drive, because then you can't be killed, you may merely kill somebody else, so that's okay!" Well, let's not be too pessimistic, I think it's cool to adapt!
Ohhh shit! Unser Auto war in der Reperatur, ich musste also mit einem Taxi fahren. Waehrend der Fahrer mir froehlich plaudernd seine Tageserlebnisse erzaehlt, sieht er weder den Kanal noch die Absperrung und RUUMMS! Aber im Nu hat er 4 Leute beisammen, die fuer 5000 Shilling in den Graben springen und den Wagen wieder rausschieben. Ganz normaler Alltag eben :-)
Hier gibt es sowas ähnliches wie IKEA. So eine Art Möbel-Mitnahmemarkt. Naja, an der Straße halt. Die selbsternannten Schreiner arbeiten hier in ihren Workshops entlang der Nsambia Road und fertigen mengenweise Standardware zum Mitnehmen: Betten, Regale, Tische, Schränke, Kommoden, Sessel, Stühle, Hocker, eigentlich fast alles was das Herz begehrt.
Es sei denn man hat eine sehr kreative Frau, wie ich sie habe. Die möchte natürlich was anderes haben. Die Arbeitszeit, die in Deutschland immer Kostenfaktor Nr. 1 ist, ist hier kaum spürbar. Hier sind die Materialkosten das Teuerste. Dementsprechend sollte doch so eine kleine Sonderanfertigung weder schwierig noch teuer sein. Mirella hatte sich lang und ausgiebig mit den Jungs von einer Schreinerei unterhalten und ihnen ausführlich erklärt, was sie haben wollte: Sie wollte einen niedrigen Sofatisch in den Maßen 4.4 ft. x 2 ft. dunkles Holz, vorne eine Schnitzerei mit Elefanten und Giraffen und rundum dicke Rundhölzer. Zwischen den Hölzern soll die Tischplatte eingelegt werden. Hier das gewünschte Endergebnis schon mal vorweg:
Die Schreiner zeigen ihr ein Foto von einer Sitzbank, die sie normalerweise fertigen und die ganz ähnlich ist. Mirella ist begeistert: - „Yes, exactly like this. Exactly! Only that you do not put several pieces of wood for seating, you just put one large piece of wood so it looks like a table. And you make it a little longer and broader.” - “Sure Madam, yes.” - “Okay, do you remember the measurements?” - “Sure Madam, yes. - “You don't want to write them down?” - “No Madam, no problem.” - “Okay, so when will it be ready?” - “1 week Madam.”
Zuhause erzählt sie mir begeistert von “ihren netten Jungs draußen auf der Nsambia Road” und dass wir den Tisch Ende der Woche abholen können. 1 Woche später: Wir kommen hoch motiviert vorbei, um den Tisch einzuladen. Die Jungs lächeln uns an, während sie sagen „oh, it’s not ready yet.“ Sie zeigen uns aber, was sie schon gebaut haben. Der Tisch ist zu kurz zu schmal, eben eher wie eine Sitzbank und nicht wie ein Sofatisch. Mirella beschwert sich, was die Aufmerksamkeit von immer mehr Kollegen, deren Bekannten, Freunden usw. auf sich zieht. Es wird von Englisch nach Luganda und andere lokale Dialekte hin- und her übersetzt bis sich nach ca. 10 Minuten alle Anwesenden einig sind „Yes, the table is too small.“ Aber dann: „Madam, you will have to pay extra, because we have to pay for more material.“ Mirella rauft sich die Haare, denn die Maße waren doch von Anfang an klar angegeben worden, oder??? Okay, sie einigen sich auf einen kleinen Aufschlag und in 2 Tagen soll der Tisch fertig sein.
Mirella hat die Lust verloren und so fahre ich jetzt jeden Tag nach der Arbeit bei ihren Freunden auf der Nsambia Road vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Nach drei Tagen zum ersten Mal. Dann ist unser Tisch leider gerade nicht da. „It’s still in the workshop, boss“.
Ich bin ja geduldig und komme am nächsten Tag wieder und das neue Außengerüst ist fertig. Die Außenmaße sind korrekt, aber es fehlt die Querverstrebung oberhalb der Frontplatte mit den Tieren. Wie soll die Tischplatte ohne vier Rundhölzer rundherum gehalten werden? Ich erkläre es dem ersten. Der nickt. Alle anderen schweigen. Dann erkläre ich es dem nächsten, der nickt auch. Jetzt kommt Bewegung in die Runde. Andere Schreiner kommen mit dazu. Nur die Hälfte von ihnen spricht Englisch. Es entstehen parallele Diskussionen in mehren Sprachen und Dialekten. Das Nicken nimmt zu, die leeren Blicke nehmen ab. „Yes boss, we will put a fourth piece of wood up here.“ Glücklich strahle ich in die Runde, hocke mich aber noch mal auf den Boden und lege meinen Arm genau an die Stelle, an der das zusätzliche Rundholz eingebaut werden soll. Alle antworten und nicken im Chor, weiße Zähne blitzen auf als die Münder mit glücklichem Verstehen lachen.
Dann die nächste Hürde: Die Tischplatte ist zu groß. So wie sie jetzt ist, würde sie nicht zwischen die Rundhölzer in den Tisch hineinpassen, sondern würde oben auf den vier senkrechten Pfosten aufliegen. Das wollen wir aber nicht. Also erkläre ich das als nächstes. Betretenes Schweigen in der Runde. Mehr Leute kommen dazu. Ungläubiges Gerede in den hinteren Reihen, was will der Muzungu da?? Ich erkläre es noch mal. Und noch mal. Lasse die Platte oben drauflegen, demonstriere, dass sie zu groß ist und lege sie so mit einer Kante in das existierende Holzgerüst hinein, um zu zeigen, wie die Platte in dem Tisch drinnen liegen soll, und nicht obenauf. Der erste hat’s kapiert und springt mir zur Seite, übersetzt den anderen auf ihren jeweiligen lokalen Dialekt. Mehr und mehr fangen an zu nicken und ich merke schon wieder, wir sind auf dem richtigen Weg. Aber hinten in der zweiten Reihe sind noch zwei, die noch nicht den Glanz des Verstehens in den Augen haben und die noch etwas gleichgültig schauen. Keine Ahnung, ob die hier arbeiten, als ich kam, waren sie auf jeden Fall noch nicht da, aber egal. Hier müssen alle Entscheidungen und Vorhaben als Konsens beschlossen werden, sonst wird das nichts. Also turne ich nochmal in Anzug und Krawatte auf dem Bürgersteig mit dem halbfertigen Tisch und der zu großen Tischplatte herum, diesmal immerhin mit der verbalen Unterstützung der meisten Anwesenden. Die beiden Angesprochenen nicken widerwillig. Nachdem ich schwitzend mit der dritten oder vierten Wiederholung zu Ende gekommen bin, herrscht erst mal Schweigen. Dann erwidert mir einer „Boss, you know, those two, they say, that if you want to put the board into the table, it won’t fit. It will have to be cut!” Mit einem glücklichen Seufzer der Erleichterung strahle ich sie übers ganze Gesicht an: “Yes, exactly, it must be cut.” Und um ganz sicher zu gehen, ritze ich mit meinem Daumennagel eine ungefähre Linie in das Brett, an der gesägt werden müsste. Beifälliges Gemurmel zeigt mir, wir sind auch hiermit durch. Puhhh, dann müsste ich eigentlich morgen den Tisch abholen können, oder? „Yes boss, tomorrow you can get it.“
Ich komme also nach zwei Tagen wieder vorbei, aber der Tisch ist nicht da. Aber ich habe ja Nerven wie Drahtseile und frage gutmütig wo er denn sei. „It’s in the workshop, boss, it’s quite far away.“ Okay Jungs, ich bin weiß und ich bin neu hier, aber ich lasse mich nicht für dumm verkaufen: „Allright, then get into my car, we will drive there. You direct me.“ Etwas überrascht steigt der Carpenter in meinen Wagen und wir fahren die Asphaltstraße hinunter, biegen links ab auf einen Schotterweg, dann auf einen Weg, der eigentlich mehr aus Schlaglöchern als aus Weg besteht, dann wird der Weg enger, die Häuser an der Seite weichen Lehm- und Wellblechhütten, es gibt parktisch nur noch Fußgänger, Mopedfahrer, spielende Kinder und Hunde auf der Straße. Noch mal Links und noch mal um die Kurve, dann geht es rechts an den Straßenrand heran. Dort steht eine Reihe Holzbaracken in Hufeisenform; in der Mitte ist ein Haufen Hölzer vermischt mit altem Gerät und Abfall. Wir suchen uns einen Weg dort hindurch und kommen zu einer der Holzbaracken. Dort steht ein Mann, bedient eine Kreissäge und schaut mich fragend an. Mein Carpenter deutet nach hinten ins halbdunkle in der Baracke. Dort steht unser zu großes Holzbrett und wartet darauf, gesägt zu werden. Auf der anderen Seite steht der Rest unseres halbfertigen Tisches, damit genau Maß genommen werden kann.
Und erst jetzt verstehe ich. Und ich schäme mich für die Arroganz und die Borniertheit, mit der ich die Handwerker beurteilt habe. Es gibt für alle hundert oder zweihundert Schreiner an der Nsambia Road nur diese eine Kreissäge. Alle kaufen ihre Hölzer irgendwo und lassen sie hier sägen. Die bestellen bei ihm im Prinzip „Holz für drei Betten und zwei Regale, hier hast du das Geld dafür.“ Dann kommen sie ein paar Tags später und holen ihr Holz ab, um es weiter zu verarbeiten. Abgeholt und transportiert werden die bis zu zwei Meter langen Hölzer und Bretter zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Mofa über eine Straße, die eigentlich ihren Namen kaum verdient. Und das machen hundert oder zweihundert Schreiner tagtäglich. Dass dabei überhaupt etwas entsteht, ist schon fast ein Wunder. Und unser Schreiner hat unseren halbfertigen Tisch (1,8 m x 1m x 1m) mit seinen fast 20 kg samt Platte auf dem Gepäckträger eines Mofas durch die Schlaglöcher zum Sägemeister transportiert, um ihn von seiner Standardarbeit abzuhalten und ihm unsere Sonderwünsche zu verklickern. Normalerweise hat jeder von den Carpentern die Maße, Muster und Bauweise aller seiner Möbel genau im Kopf und alles Holz, alle Schnitte, alle Lieferungen laufen nach einem genau abgesprochenen Muster ab. Es gibt denjenigen, der die Muster schnitzt, denjenigen, der nagelt und denjenigen, der poliert und streicht. Hiervon abzuweichen ist schon fast ein Sakrileg. Für diejenigen, die wahrscheinlich schon seit sie 12 Jahre alt sind auf diese Art und Weise gearbeitet haben, kein Englisch beherrschen und deshalb auch selten mit den Sonderwünschen der Muzungus konfrontiert waren, sind diese Sonderanfertigungen kaum vorstellbar.
Dinge, die für mich total banal sind, weil ich Holz in zehn Baumärkten in München mit max. 15 Minuten Wartezeit nach meinen persönlichen Vorstellungen für Null Euro sägen lassen kann, sind hier alles andere andere als selbstverständlich und stellen ein schwieriges Unterfangen dar. Die eingeschränkte und vereinfachte Produktpalette ist ein Weg, um ungeschulte Berufseinsteiger mit ins Handwerk zu integrieren, ohne allzu große Zugeständnisse bei der Qualität zu machen. Ich habe wohl den gleichen Fehler gemacht, den die ersten britischen Kolonialisten auch gemacht haben: Die lokalen Gegebenheiten nach europäischen Maßstäben zu beurteilen.
Zwei Tage später ist unser Tisch dann fertig und wir holen ihn zufrieden und dankbar ab. Am nächsten Tag zieht Mirella los, um sich ein Ecksofa aus Rattan bauen zu lassen…
Oh nein …
Es gibt auf der ganzen Nsambia Road kein einziges Ecksofa ;-)
Heute ist es soweit: der Wecker klingelt um 06:30! Bisher haben wir den Luxus, bis acht oder neun schlafen zu können, voll genossen. Aber das süße Lotterleben ist nun vorbei… obwohl der Tag heute dennoch süß bleiben soll: Denn es ist nicht nur Leona’s erster Schultag sondern auch noch ihr 7. Geburtstag. Mirella hat gestern noch bis nach Mitternacht Kuchen gebacken und ich habe die Geschenke aus den noch nicht geöffneten Gepäckstücken herausgekramt. Dem entsprechend mühsam wälzen wir uns aus den Betten, während uns Leona schon ein fröhliches „gutem Morgen ihr Schlafmützen! Aufstehen!“ entgegen trällert. Adrian pennt natürlich noch bis fast 7 und muss sein Anziehen, Frühstücken und Zähneputzen im Eilverfahren absolvieren. Einigermaßen pünktlich sitzen wir dann aber doch gegen 07:30 im Auto und sind tatsächlich in nur 15 Minuten bei der Rainbow International School.
Leona geht in die Klasse 2n. „2“ steht natürlich für 2. Klasse und „n“ steht für den Nachnamen der Klassenlehrerin, Mrs. Njoki aus Kenia, die 20 Kids im Alter von 6 bis 7 Jahren unterrichtet. Unterstützt wird sie dabei vom Assistant Teacher Mrs. Grace.
Die Kids in der 2n sind zum Großteil aus Uganda, aber auch einigen anderen afrikanischen Ländern. Es gibt noch eine Amerikanerin, einen Polen und wohl noch eine Inderin und noch eine Europäerin. Mrs. Njoki ist total nett, begrüßt Leona strahlend und fordert alle anderen Kids, die schon im Klassenzimmer sind auf: „Everybody say HELLO to Leona“ und die Klasse antwortet im Chor „Hello Lii-ou-na“.
Leona ist verständlich etwas nervös, weiß sie doch in etwa, was gerade abläuft, versteht aber kaum ein Wort davon. In der Nachbarklasse gibt es wohl einen deutschsprachigen Jungen, der an und ab als Übersetzungshilfe für Leona dazu geholt wird. Nächste Woche soll sie zusätzlichen Englischunterricht bekommen. Die Einführung läuft also kurz uns schmerzlos, Leona setzt sich dort auf ihren Platz und wir verabschieden uns.
Die Kids sitzen dort an vierer Tischen, wobei sie sich gegenseitig anschauen. Viel weniger Frontalunterricht, sondern mehr Interaktion zwischen den Schülern und häufig wechseln sie auch die Plätze und setzten sich z.B. auch draußen auf die Matte und spielen oder singen was oder lauschen einer Geschichte. Sport gibt’s 2x die Woche und zusätzlich 1x die Woche Schwimmunterricht. Aufgeteilt sind alle – ganz wie bei Harry Potter – in sogenannte „Häuser“. Leona ist im „House Kyoga“ mit der Farbe blau, die momentan immerhin auf Platz 2 der 4 Häuser rangieren. Nächsten Freitag hat Leona schon ihre erste „Assembly Presentation“ mit dem Thema „What would you like to be when you grow up?“. D.h. sie soll sich berufsgerecht anziehen (wie zieht sich eine Lehrerin typischerweise an???) und ein wenig vor versammelter Kinder- und Elternschaft plaudern, was sie so als Lehrerin machen würde. Wir drücken schon mal die Daumen, bin gespannt, was sie bis dann schon auf Englisch herausbringt.
Nichts desto trotz: die Kids dort und vor allem auch die Lehrerin sind total nett und schon als ich gehe, sehe ich, dass Leona voll eingebunden wird.
Adrian hat seinen Kindergarten keine 100 Meter von Leona entfernt. Er versteht nun wirklich gar kein Englisch und mag auch niemanden Grüßen. Weil er aber weiß, was läuft und ja schon ein erfahrener Krippen- und Kindergartengänger ist, schaut der der britischen Kindergärtnerin geduldig zu, wie sie irgendeine langweilige Plastikmaus zusammensteckt, bevor er endlich in die Bauecke gehen kann, um dort in Ruhe mit den Autos, Straßen und Schienen spielen zu können.
Der Kindergarten geht jeden Tag (!) ans Planschbecken, und hat 2x die Woche Schwimmunterricht. Adrian macht alles mit und spielt fleißig mit allem, was er finden kann, spricht aber kein Wort mit niemandem und scheint dort irgendwie mit sich selbst zufrieden zu sein. Besser hätte ich es kaum erwartet, der Rest wird irgendwie mit der Zeit von alleine kommen.
Schule und Kindergarten sind um 15:00 zu Ende und Mirella holt die Kids ab. Zu Hause gibt’s dann eine Geburtstagspizza mit Lutschern dekoriert und endlich die Geschenke.
Die richtige Geburtstagsparty mit Freunden haben wir auf Februar verlegt, wenn Leona sich etwas mehr artikulieren kann und wir in unserem endgültigen Haus angekommen sind. Die Geburtstagsparty war also eher klein und ruhig, dafür war der erste Schultag aufregend und voller Erlebnisse, am Abend ist Leona platt und es geht wieder zeitig ins Bett, denn schon morgen geht es wieder um 06:30 los…
Die ersten Tage bei AMFIU sind nun um. Was hat sich für mich seit meinen letzten Eindrücken verändert?
Ich bin mit Sicherheit ein gutes Stück mehr angekommen. Aber ich merke auch, dass der Weg noch weit ist. Ich bin jetzt richtig eingezogen, habe meinen Schreibtisch, Stuhl, Notebook, Netzwerk, der Drucker läuft usw.
Aber ganz anders als bei jedem anderen Start irgendwo, fühle ich mich doch noch recht auf mich alleine gestellt. Das Englisch von Manchem oder Mancher ist ähnlich schwer zu verstehen, wie das Englisch der Inder als ich mit denen anfing. Der Kollege, mit dem ich zusammen im Büro sitze, ist der Accoutant - sonst ist nirgends Platz. Am ersten Tag knurrt mir gegen 13:30 dann wirklich der Magen, und hätte ich mich nicht gerührt, dann hätte er das wahrscheinlich noch den ganzen Nachmittag getan. Schließlich schnappe ich mir die Rezeptionistin und frage, ob und wo denn die anderen essen. Ich finde einige im Restaurant im Hof, denen ich mich dann anschließe. Aber Mensch, die hätten mich ruhig mitnehmen können, oder? Aber die Dinge und Gepflogenheiten hier sind einfach anders, sage ich mir immer wieder. Ich will mir jetzt keine Steine in den Weg legen, nur weil ich hier jemanden überrolle. "Geduld," so leierte die ewige Gebetsmühle während der Vorbereitungszeit, "ist der Schlüssel zur Integration, zum Vertrauen und zum Erfolg". Also bin ich in den ersten Tagen geduldig und surfe möglichst themenbezogen und sofern das Internet läuft, gehe mit den Leuten Mittag essen, mache Smalltalk auf dem Gang und nehme immerhin an einem Meeting mit dem Director und meinem Counterart teil. Danach kommen auch schon die ersten Emails bei mir an - ahhh, ein ungewohntes Gefühl, sich bei der Abeit über Emails zu freuen ;-)
Dann - fast als ob es selbstverständlich ist - sagt mir der Director am Freitag, dass wir gegen neun Uhr zum MFF ins Ministerium fahren. MFF? Ministerium?
MFF = Microfinance Forum und das Ministerium ist tatsächlich das Finanzministerium. Dort treffen sich alle Stakeholder der Mikrofinanzindustrie und diskutieren über ein neues Gesetz zur Regulierung der Mikrofinanzbranche in Uganda. Mit dabei:
- Links: Henry Maguta, Assistant of the Minister for Microfinance
- Mitte: Hon. General Caleb Akandwanaho Salim Saleh, Minister for Microfinance, Halbbruder des Präsidenten von Uganda und bis 2006 noch General der Armee
- Rechts: David Baguma, mein "Chef" bei AMFIU
Die ganze Veranstaltung ist stellenweise schon skurril: Obwohl alles in schickem Ambiente stattfindet, fiept ständig das Mikro und die Ausführungen mancher Redner sind so blumig und weitschweifig, dass ich trotz größter Mühe dem roten Faden nicht folgen kann. Am Schluß resümierte der Minister: "I think I have been doing a very good job and I am very happy with me and I think I deserve a clap." Woraufhin er natürlich prompt einen dicken Applaus bekommt. Aber abgesehen von diesen paar Anekdoten ist die Veranstaltung dennoch in keinster Weise lächerlich. Denn hier setzt sich die Regierung mit Vertretern der Finanzindustrie und Vertretern der Konsumenten an einen runden Tisch, um an einer fairen und praktikablen Regulierung des nationalen Mikrofinanzmarktes zu arbeiten. Eine saubere Vorgehensweise.
Gleichzeitig muss ich nun auch sehen, dass ich in den nächsten Wochen noch ein wenig aus dem Büro hinauskomme und "upcountry" fahre, d.h. raus aufs Land, um das eigentliche Geschehen vor Ort mit zu bekommen: Kleine Mikrofinanzinstitute mit drei bis vier Mitarbeitern und Kreditnehmern, die sich eine neue Lebengrundlage schaffen möchten. Denn dort spielt die eigentliche Musik.
Im Rahmen meiner Vorbereitung im Partnerland bekommen wir auch eine "Cultural Tour through Kampala". Wir besuchen die Kasubi-Tombs, die eigentlich keine Gräber sind, sondern eher der Palast von vier der bekanntesten Bugandischen Könige in den letzten 2 Jahrhunderten. Bekannt sind sie uns eigentlich nur deshalb, weil die Briten bei ihnen waren und dem einen Waffen geliefert haben, um den anderen abzusetzen usw. Egal, die Anlage ist gepflegt und die Führung ist interessant. Es gibt übrigends in Uganda insg. 4 Königreiche mit richtigen Königen - so als ob wir in Bayern noch unseren König Ludwig hätten und Baden und Sachsen usw. noch ein König residieren würde.
Etwas später bleiben wir auf einem Kunsthandwerksmarkt hängen und verbringen den Rest des Tages mal wieder mit Shopping - ist aber ehrlich gesagt recht witzig.
Adrian ruht sich zwischendurch in einem aus Holz gezimmerten Schubkarren aus:
Und was darf bei einer richtigen kulturellen Einführung in Kampala nicht fehlen? Ein echter afrikanischer 'Flat Tire' natürlich. Weil das hier aber eine echte Alltagserscheinung ist, ist die Sache überraschend schnell in einer halben Stunde geregelt und der kaputte Schlauch in einer weiteren halben Stunde geflickt.
Neujahr ist fuer uns erst mal Neu-Stadt. Da wir uns mit meinem Dienstwagen nur in Kampala bewegen dürfen, fahren wir mit unserem "schicken" und "neuen" Toyota Prado erst mal raus. Raus aus Kampala und nach Entebbe, eine knappe Stunde Richtung Süden und direkt am Lake Victoria. Neben dem einzigen internationalen Flughafen von Uganda bietet Entebbe noch einige wenige Hotel-Strände, einen Zoo, einen kleinen Hafen und einen botanischen Garten, den wir erst mal besuchen wollen. Er wurde uns so beschrieben, dass er so etwas ähnliches wie der Westpark in München sei: weiträumig mit vielen Wegen und Auslauf, so dass die Kids auch mal mit Fahrrad und Roller rumsausen können. Und tatsächlich, wir werden nicht enttäuscht: Der Park ist groß und mit viel Raum und einer tollen Vegetation. Fremde und riesige Bäume mit vielfältigen Busch- und Pflanzenarten vor beeindruckender Kulisse; dazwischen manchmal ganze Schwärme von Libellen und mannshohe Termitenhügel. Vor allem Mirella ist begeistert von der Baumwelt, die auch wirklich eine ganz andere, fast geheimnissvolle Aura hat als unser deutscher Wald.
Unterwegs kommen wir auch an einem Brunnen vorbei, bei dem die Kinder des anliegenden Dorfes Wasser holen. Weiße und schwarze Kids beäugen sich neugierig, aber der Spieltrieb gewinnt: Schießlich füllt Leona auch einen Wasserkanister und währenddessen rollt ein Junge - sehr zur Belustigung seiner Freunde - mit Leonas Roller den Weg rauf und runter und zeigt uns anschließend auch stolz sein Spielzeug.
Naja, und dann kommen auch die Erwachsenen zum Zuge. Wir entdecken endlich mal richtige Lianen und ... tatsächlich: Die Tarzangeschichten stimmen, es geht!!
Anschließend wir es auch zu Sylvester pünktlich um 18:30 dunkel und wir treten die Heimreise an. Die vergangenen Tage waren aufregend genug, wir planen nichts großes: eine kleine Familienparty bei uns zu Hause und dann kurz nach Mitternacht ins Bett.
Dann wird es aber doch noch fast knapp, denn die Ugander haben sich Sylvester ganz anders vorgestellt: Wer zwei Beine oder vier Räder hat, der ist unterwegs und auf dem Weg zu irgendeiner Feier. Wir ärgern uns also noch über eine Stunde im Stau und bewundern gleichzeitig die Lebens- und Freierfreude der Ugander ...
... und tröpflen nach einer kleinen hausgemachten Familienfeier eher gemütlich ins neue Jahr 2009 hinein.