Monday, 6 September 2010

Überfall

Montag früh, ich hupe vor dem Gate bei meiner NGO. Ein fremder Kopf reckt sich durch den Türspalt. Wo ist denn Zulu, der sonst immer jeden Morgen das Gate aufmacht? Zulu ist unser Day- und Nightguard, der hinter unserem Bürogebäude in einer Baracke wohnt und sich tags wie nachts um das Grundstück und das Haus kümmert. Er kommt aus dem Norden und kämpfte bis vor ein paar Jahren für oder gegen die LRA - das ist nicht so ganz klar, wenn man mit ihm darüber spricht.

Naja, vielleicht hat er sich ja ein paar Tage frei genommen, ist ja auch fein. Dann steige ich aus und laufe über den Parkplatz; pfui, das sieht aber siffig aus hier. Überall so schwarze Flecken auf dem Boden... hat der Neue hier rumgekleckt mit Öl, Wein oder Farbe? Ein wenig besser aufpassen kann der Kamerad aber schon, denke ich mir. "Wer ist denn der Neue draußen?" frage ich unsere Rezeptionistin. "He is replacing Zulu who is in the hospital?" - "What's wrong with Zulu?"

Zulu liegt mit einer Kopfwunde im Krankenhaus. Samstag Abend hatte es gegen Mitternacht am Gate geklopft. Zulu ist hin und die Stimme des Mannes draußen kam ihm bekannt vor: Der war schon mal vor ein paar Monaten hier und hat die Computer bei AMFIU gewartet. Das wollte er auch jetzt tun. Samstag Abend kurz vor Mitternacht?? Aber dann war es wohl schon zu spät. Zwei andere Männer sind in der Zeit über die Mauer gesprungen und mit einem Knüppel auf ihn losgegangen. Ein paar Schläge auf die Beine und die Schultern und schon ist der ehemalige Computertechniker auch über die Mauer gesprungen. Mit Tritten und Schlägen drangsalieren sie ihn, er soll den Schlüssel für das Haus rausrücken! Er weigert sich standhaft und bekommt dafür noch heftiger ein paar übergezogen. Sie drohen ihm, ihm den Schädel zu spalten, wenn er den Schlüssel nicht rausrückt und proben schon mal mit dem Knüppel an der linken Schläfe. Zulu torkelt mit einer heftigen Platzwunde noch ein paar Schritte, bevor er bewußtlos auf dem Beton der Parkplatzes zusammenbricht. Die Drei fluchen wohl noch eine Weile vor sich hin, bevor sie sich dann davonmachen. Dann traut sich unser Fahrer, der dieses Wochenende ausnahmsweise nicht zu seiner Familie heimgefahren ist, sondern in der Baracke bei Zulu gepennt hat, heraus. Er ruft unsere Admin Managerin an, die sich sofort zum Ort des Geschehens aufmacht, die Polizei benachrichtigt und den schwer blutenden Zulu ins Krankenhaus bringen will. Die Polizei ist dann tatsächlich auch bald da, will aber kein Protokoll aufnehmen, wenn Zulu nicht als Zeuge / Betroffener dabei sein kann. Unsere Admin Managerin schickt die Polizisten genau dahin wo sie hingehören - zum Teufel - und bringt Zulu erst mal in Krankenhaus.

Am diesem Montag Morgen haben wir gleich erst mal Krisensitzung zum Thema Sicherheit für unser Büro. Wir sprechen lange und ausgiebig über alle Optionen, von bewaffneten Wächtern über Stacheldraht und elektrischen Zaun bis hin zu Wachhunden und Panik-Buttons. Alle möglichen Leute werden angerufen und Informationen und Angebote von überall werden eingeholt. Jeder gibt seine Meinung und die Geschichten, die der Cousin des Bruders des Onkels der Großtante von dessen Freund erzählt bekommen hat, zum Besten. Alle sind sehr beschäftigt mit Reden und Planen und Ideen abwägen. Naja, und dann verläuft sich erst mal wieder alles.

Ein paar Tage später taucht Zulu mit einem dicken Kopfverband wieder auf und sein Kumpel schrubbt dezent die Blutflecken vom Parkplatz weg. Eine Woche später ist sein Kumpel immer noch dort. Ich frage dann mal nach, warum wir jetzt zwei Hobbywächter haben. Naja, es war halt die billigste Variante. Die typischeste aller Problemlösungen: Je mehr geredet, gedacht und geplant wird, desto weniger wird danach umgesetzt... =-|

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