...bis dann plötzlich gut versteckt hinter einer Kuppe die Road-Humps anfangen. Die Strecke wird ausgebaut und damit die Straßenarbeiter hierbei nicht ihr Leben riskieren werden rigoros alle 20m Road-Humps aufgeschüttet. Auf einer Strecke von fast 10km, eine echte Killertortur für das Rückgrat, den Magen, den Hals, den Kopf, eigentlich für alles.
Danach wir die Straße spürbar schlechter, bis sie schließlich richtig beschissen ist. Der einzige Vorteil, es sind kaum noch Autos unterwegs. Allerdings ist es auch gut so, den auf den Straßen möchte ich auch nicht viel mehr Autos auf einmal begegnen...
Nach ca. 6 Stunden Fahrt bin ich in Lira. Lira ist die Stadt der Fahrräder. Ein buntes Treiben erfüllt die Stadt, die aber ansonsten ohne herausragende touristische Reize ist. In Lira besuche ich die Mid-North Private Sector Development Company, eine von der UNDP gegründete lokale Organisation, die sich mit dem Auf- und Ausbau von privaten Wirtschaftsinitiativen beschäftigt. Macht von Außen nicht viel her, wird aber mit viel Herz und Energie geführt.
Wir besuchen ein SACCO (SAvings and Credit COoperative) in der Nähe von Lira. Ein SACCO ist vergleichbar einer deutschen kleinen, ländlichen Genossenschaftsbank. Es ist so eine Art Sparverein. Man muss Mitglied werden und kann dann sein Geld zum Sparen dorthin bringen. Wenn man einige Monate fleißig gespart hat, dann kann man einen Kredit beantragen, der z.B. das dreifache der eigenen Sparsumme beträgt. Alle 2 Jahre wird ein Management gewählt, das sich ums operative Gesellschaft kümmert (Cashier, Executive Director, Accountant, etc.) und ein “Board“, das das Management kontrolliert und über wichtige Themen entscheidet, z.B. Höhe des Spar- und Kreditzinses, größere Anschaffungen, etc. große SACCOs haben mehrere tausend Mitglieder und rd. 5000 Euro Kreditvolumen. Wir besuchen das SACCO Barr in der Nähe von Lira. Es geht richtig raus aufs Dorf. Es gibt in Uganda nur eine CITY: Kampala. Dann gibt es noch einige TOWNS, das ist z.B. auch Lira. Und dann gibt es die VILLAGES, die haben häufig keinen Strom und bestehen aus Bandas (runden Lehmhütten mit Strohdächern).
Dort in Barr steht irgendwo hinten im Dorf das SACCO. Gleich vorne sind zwei einfache Schalter eingerichtet, in denen Geld angenommen und ausbezahlt wird, direkt daneben ist das Backoffice, das in diesem SACCO von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mit Computern ausgestattet wurde.
Eine Kollegin macht hier eine Umfrage zum Thema “Gleichberechtigung von Frauen im Management von SACCOs” und ich nutze diese Gelegenheit, um mich als stiller Zuhörer mit dazu zu setzen und zu lernen, wie die Dinge hier so laufen und was die Leute hier so beschäftigt. Superschön finde ich bei einer Gruppe von Frauen, die befragt wird, die Kleidung. Einige von Ihnen tragen eine traditionelle “Goma”, die an den Schultern spitz zuläuft.
Anschließend geht es weiter. Noch weiter ins Land hinein, ich werde eine sogenannte Village Saving Group besuchen. Eine Village Saving Group, das sind einfach interessierte Leute aus den umliegenden Dörfern, die sich zusammentun, dann ein paar Wochen lang jeden Sonntag geschult werden und sich anschließend jeden Sonntag treffen, um zu sparen und das gesparte Geld dann als Kredite untereinander vergeben. Die Sparsumme pro Woche beträgt in der Regel 1000 Shilling (40 Cent), die Kreditsumme wird mit einer Laufzeit von 1-4 Wochen und beträgt ca. 4-10 Euro. Das ganze findet so richtig im afrikanischen Nirgendwo statt. Die “Straße” ist kaum mehr als ein Trampelpfad, bis wir schließlich an einem Dorf ankommen und uns dort auf einer Wiese unter einem Mangobaum niederlassen, Zuckerrohr kauen (bei mir läuft das noch nicht ganz so gemütlich...), und auf die Mitglieder der Spargruppe warten, die nach und nach eintrudeln.
Dabei muss ich mich daran gewöhnen, eine Zirkusattraktion zu sein. Es fängt damit an, dass Mamas ihren 2jährigen Kindern zeigen: “Ahhh, look there! That’s a Muzungu!” Eine Frau verdreht ihrem Kind sogar extra den Kopf, damit es mich anschaut. Das Pendant in Deutschland wäre, wenn Mama dem Kind im Park zeigt: “Da! Schau! Da vorne läuft ein Eichhörnchen!” Oder ein Pferd, oder ein Schaf, oder ein Esel. Irgendetwas, was man halt nicht alle Tage sieht, weil es nicht zum normalen Stadtbild gehört - was man als Kind aber eben dennoch kennen sollte. Tja, und so kommt es dann, dass die 6jährigen einem dann schon von weitem entgegenrufen: “Hello Muzungu, how are you?” und “Bye Muzungu!”. Man bekommt grundsätzlich einen Ehrenplatz angeboten und wird mit ein paar wohlwollenden Worten willkommen geheißen. Wildfremde Leute auf der Straße grüßen einen im Vorbeigehen und wenn man in ein Büro hineinkommt, muss man jedem erst mal fleißig Hände schütteln. Auf dem Dorf kann das fast schon das Ambiente eines Heilsbringers haben.
Nach einigem Warten beginnt schließlich Dennis, ein Ugander, der als lokale Fachkraft ebenfalls in der Entwicklungshilfe arbeitet, die anwesende Gruppe zu briefen. Er erzählt den Anwesenden in der lokalen Sprache (Luo) erst etwas über “Time Management”, dass sie pünktlich seien sollen und sich an ihre Verabredungen halten sollen. Denn wenn sie sich hier regelmäßig als Spargruppe treffen wollen, dann müssen alle zum verabredeten Zeitpunkt da sein, sonst findet eben keine Spargruppe statt. Und dann erklärt er noch einmal die Grundregeln: Es gibt eine Sparbox aus Metall mit drei Schlössern. Drei Personen werden als Keyholder bestimmt, die haben dann jeweils einen Schlüssel. Die Sparbox steht bei einer vierten Person, und nur wenn alle drei beisammen sind, kann die Box geöffnet werden. Dann gibt es noch den Chairman, den Secretary, und zwei Money-Counter. Jedes Mitglied der Spargruppe bekommt ein kleines Sparbuch, in dem seine Ersparnisse als Symbol mit einem Stempel eingetragen werden und ebenso die Kredite, die er ggf. nimmt. Der Secretary bekommt ein großes Schreibheft und die beiden Money-Counter einen Solar-Taschenrechner. Hier ein symbolisches Foto der Utensilien:
Und Dennis, der seine Sache echt großartig macht.
Und irgendwann merke ich dann, wie Leute immer mehr sich zu mir umdrehen, als ob sie etwas erwarten würden. Dennis spricht das unausgesprochene Anliegen schließlich auf den Punkt und fragt mich, ob ich der Gruppe nicht etwas zu sagen hätte. In Gedanken antworte ich natürlich sofort “Nein!”, aber das wäre einfach falsch. Also: Was habe ich zum Thema Sparen und die Wichtigkeit davon zu sagen? Eigentlich habe ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht... aber mit dem notwendigen Adrenalin fällt mir an dieser Stelle doch noch eine kleine Story ein, die auf befälliges Gemurmel stößt.
Zum Abschluss stimmen alle sogar noch ein Dankeslied an, und mir ist das alles eigentlich so peinlich, dass ich am liebsten im Erdboden versinken würde. Hey, ich bin eigentlich nur hierher mitgekommen, um mir das mal anzuschauen und was zu lernen. Aber für manche hier bin ich als Weißer fast wie ein Messias; eine ganz besondere Erscheinung eben, die ihnen deutlich macht, dass diese Spargruppe etwas ganz Spezielles und Tolles ist. Ein ganz komisches Gefühl ist das für mich. Sich aber in guter deutscher Sitte möglichst bescheiden zu geben, sich ganz und gar zurück zu halten und allen Dank dankend ab zu lehnen, das wäre noch viel falscher - so zumindest mein Empfinden. Es würde auf völliges Missverstehen stoßen, so als ob ich nicht bereit wäre, Ihnen zu helfen, oder als ob sie es mir nicht wert wären, ihnen zu helfen. Ein ganz komisches Gefühl irgendwie. Aber wieder bin ich beeindruckt von der Energie und dem Glauben der Menschen, dass alles besser werden kann. Ein Optimismus und ein Wille und ein Wunsch, die Dinge zu verändern und zu verbessern, den ich bewundernswert finde. Woher jemand diesen Impuls hernimmt, der in einer dieser Lehmhütten ohne Strom, fließend Wasser, Ungeziefer, Hitze und ungenügender Schulbildung aufgewachsen ist und nichts kennt außer die umliegenden Dörfer, in denen genau die gleiche Monotonie herrscht, ist mir ein Rätsel und gleichzeitig der Stein auf dem ich meine Arbeit hier baue.
Wir besuchen anschließend noch einige weitere Spargruppen, die teilweise schon weiter sind, als die erste. Diese sind nun schon seit einigen Wochen fleißig beim Sparen und haben prompt auch ein paar Fehler gemacht, wie z.B. die Beiträge nicht ordentlich erfasst oder die Kredite nicht wieder ordnungsgemäß eingefordert. Bei einer anderen Spargruppe darf ich Zeuge davon werden, wie ein Kredit ausgezahlt wird: Die beiden Money-Counter machen 20 Stapel zu je 1000 Shilling und die werden von der Frau sorgfältig eingesammelt. Sie wird damit ein Gemüse kaufen, was es momentan hier gerade günstig zu kaufen gibt und wird es nach Lira transportieren, um es dort zu verkaufen und erwartet dabei einen entsprechenden Gewinn. Eine andere 72jährige Frau, hat für 4000 Shilling (2 Euro) kurzerhand eine Wiese, auf der das Gras nutzlos und hüfthoch stand, von einem Mann schneiden lassen und es anschließend für 8000 Shilling (4 Euro) als Baumaterial für Dächer verkauft. Das hat sie quasi über Nacht zur Dorfheldin werden lassen :-)
Lieber Benedikt! Ich verfolge regelmäßig Euren Blog und finde es toll, dass Ihr das macht! Ich schicke Euch ganz herzliche Grüße aus dem noch immer kalten Deutschland - wir waren gerade Skifahren in der Schweiz (du erinnerst Dich, Schnee??) - und hoffen, dass so langsam der Frühling einkehrt! Bitte Grüße alle ganz herzlich von uns! Pamela
ReplyDelete