Sunday, 26 April 2009

Drecksau

Ich bin eine echte Drecksau!

Ich trenne keinen Müll mehr. Gemüse, Obstschalen, Teebeutel, Glas, Plastik, Papier, alles geht in einen großen Eimer. Der wird dann ab und zu mal aus der Küche rausgebracht und in einer Ecke vom Grundstück gesammelt, bis er jeden Dienstag von einem Pick-Up zur Entsorgung mitgenommen wird. Entsorgung? Haha. Das Zeug wird alles auf einem großen Haufen verbrannt!

Wenn ich den Zündschlüssel in meinem "neuen" Dienstwagen (Baujahr '95) umdrehe, dann merke ich richtig, wie die 4,2 Liter Hubraum unter der Kühlerhaube tief Luft holen, um eine fette, tiefschwarze Wolke in den Hof hineinzuhusten. Fahre ich dann im 1. Gang an und lege am Hügel noch etwas nach, kann ich kaum glauben, dass hinter mir noch irgendetwas am Leben bleibt. Hier wird mit hemmungslosen 20 Litern Diesel Verbrauch rußig-schwarzes Verderben produziert, für das ich in Deutschland wahrscheinlich von TÜV, Polizei, den Nachbarn und dem Bundesgrenzschutz verfolgt werden würde.

Auf der Hauptverkehrsstraße schneide ich Kurven erbarmungslos, drängele mich stetig und penetrant in den fließenden Verkehr hinein, und mit großzügigem Hupen warne ich diejenigen Fußgänger, die es riskieren wollen, einen Fuß auf die Straße zu setzen und verscheuche Motorradfahrer, die sich vor, hinter, rechts und links von mir vorbeischummeln wollen. Das wird so von mir erwartet. Wer mit einem solchen Schiff auf den Straßen unterwegs ist, der muss dafür sorgen, dass der Verkehr fließt (in seine eigene Fahrtrichtung), damit die Autos dahinter auch weiter kommen. Zumindest so lange, bis z.B. ein Truck kommt und mir die Vorfahrt nimmt.

Biege ich mal ab, benutze ich manchmal den Blinker, meistens aber winke ich lässig mit dem Arm aus dem Fenster: "He du hinter mir! Mach ma' langsam, ok?". Fußgänger würde ich nie über die Straße lassen. Das wäre praktisch Beihilfe zum Selbstmord. Denn wenn ich höflich halten und sie wohlwollend hinüberwinken würde, wäre wahrscheinlich mein freundliches Lächeln das letzte, was sie sehen würden, bevor sie von einem links oder rechts an mir vorbeizischenden Auto oder Motorrad überrollt werden würden.

Komme ich dann schließlich vor einem Eingangstor an, steige ich nicht etwa aus - oh nein. Ich hupe laut und dreist. Und wenn sich da innerhalb einer halben Minute nichts tut, dann hupe ich gleich noch mal doppelt so laut hinterher. Sicher ist der Guard drinnen am Pennen!

Die Kinder kutschieren wir seit Wochen schon ohne Kindersitz durch den dichten Stadtverkehr. Ich glaube auch, wir sind die einzige Familie in ganz Kampala, die solche komischen Dinger besitzt.

Auf dem Rückweg halte ich noch mal kurz an einem Shop, um Milch und Brot zu kaufen. Dort gibt es auch ein paar aktuelle DVDs zu kaufen - allerdings glänzen alle im unschuldigen Silber von DVD Rohlingen, manchmal noch nicht mal von Hand beschriftet. Ich hatte meine einheimischen Kollegen auch schon mal eindringlich diesbezüglich befragt: Als ein Recht-und-Ordnung-Liebender Deutscher sei es mir eigentlich unmöglich so etwas zu kaufen... wo kriege ich denn Originale? Nach ausführlicher Beratung kamen sie aber überein: Vielleicht irgendwo in der Stadt, aber sie hätten selber noch nie einen Shop mit Originalen gesehen.

Tja, und so kaufe ich also weiter die handbeschrifteten Blockbuster-Silberlinge, drängele mir den Weg auf die Straße frei, fahre auf der Gegenfahrbahn, wenn auf meiner Seite gerade ein Schlagloch ist und hupe vor meinem Gate, damit es endlich geöffnet wird. Wie eine echte Drecksau eben. Wird so jemand jemals wieder in good old Germany re-integrierbar sein? Im Moment hab ich da so meine Zweifel ;-)

Sunday, 19 April 2009

Liebe Victoria, Hanna, Julia, Sammy, Leon, Paula, Carla, Regina, Joshua, Tidiane, Rabensteins, Gosshaderner Schule Klasse 1a, ...

in afrika haten wir ser vil spas eigentlich haben wir jetzt noch ser vil spas vor allem mit Tommy. er ist unser welpe aber erist ser frech er beist uns dauernt und kakt uns dauernt vor die haustüre. aber man kan auch ser gutmit im spilen. mit dem kleinen bälen zumbeispi man mus si nur verfen dan holt er die bälle schon. Tommy ist ser schnel, sogar schnela als ich. ich bin übrigens Leona brenke 7 jahre das wa mein blok.




Thursday, 16 April 2009

Matrix 4: Neo Junior!

Wir waren über Ostern zwar im schönsten Nationalpark Ugandas, aber statt hier Elefanten, Giraffen, Büffel, Krokodile und Nilpferde zu posten, ist es mit Sicherheit viel spannender, die bisher noch unveröffentlichte Preview von Matrix Teil 4 zu posten:

Trinty war nämlich schwanger und ihr ungeborenes Kind wurde nach der Schlacht um Zion von den letzten überlebenden freien Menschen geborgen, am Leben erhalten und großgezogen. Schon mit vier Jahren zeigten sich die übernatürlichen Fähigkeiten des Kindes. Anbei also der brandheiße Teaser Trailer, in dem der kleine Neo Junior einen scheinbar unbesiegbaren Mr. Smith verdrischt (bitte den völlig unpassenden Regiekommentar zwischendurch geflissentlich überhören).

Sunday, 12 April 2009

Frohe Ostern, happy Easter!

Frohe Ostergrüße aus dem verregneten Kampala!

Zum Glück hat der Osterhase uns gefunden ...


...bevor Tommy ihn sich geschnappt hat ;-)

Und nach erfolgreicher Suche ein kleiner Spaziergang durch die sonst so überfüllte Innenstadt, die heute wie ausgestorben ist - mit Schleckerei.


Bibliographie

Ein paar interessante, spannende, bewegende und lustige Bücher zum Thema Uganda - für diejenigen, die noch ein wenig mehr Afrika fühlen wollen, oder schon dabei sind, sich vorzubereiten ;-)

Serie Reise-KnowHow: Uganda und Ruanda (2008)
Der bessere der beiden deutschen Reiseführer für Uganda.

"Traumatische Tropen" von Nigel Barley, 1997
Ich hab laut gelacht, als ich das Buch gelesen habe. Kein direkter Bezug zu Uganda, aber eine sehr gute Einstimmung für den afrikanischen Anfänger.

"The man with the key has gone" von Dr. Ian Clarke, 2004
Eine absolut beeindruckende Autobiographie, in der Dr. Clarke beschreibt, wie er mit seiner 5 köpfigen Familie kurz nach dem Sturz Idi Amins nach Uganda kommt, und sich durch die Mühen und Plagen des ugandischen Alltags kämpft, um im Busch nach und nach ein Krankenhaus auf zu bauen. Dr. Ian Clarke lebt noch heute in Kampala, leitet dort eines der größten Krankenhäuser und schreibt regelmäßig Kolumnen in der Tageszeitung.

"Elizabeth of Toro" Autobiographie von Elizabeth Nyabongo, 1989
Fesselnde Geschichte eine Frau, die als Prinzessin geboren wurde, dann im Exil als Model arbeitete, wieder zurück nach Uganda kam, um dort als Sonderbotschafterin für die UN und als Außenministerin arbeitete, um erneut ins Ausland zu fliehen und sich weiter für Recht und Freiheit in Uganda einsetzte.

"Askalu will einen Esel" von Stefanie Christmann, 2002
Kinderbuch über das Mädchen Askalu, das im ländlichen afrikanischen Teufelskreis Armut, Dürre, Bürgerkrieg, und Mangel an Ausbildung feststeckt. Zögerlich sucht sie nach Möglichkeiten, um die Situation ihrer Familie zu verbessern. Sehr schön und verständlich erzählt, prima zum Vorlesen. War für Leona ein sehr guter Einstieg.

"Aboke Girls" von Els de Temmerman, 2001
Die Geschichte der Entführung von 130 Schulmädchen im nördlichen Uganda durch die Rebellengruppe "Lord Resistance Army", und die Anstrengungen, Erfolge und Mißerfolge bei der Befreiung. Spannend, nüchtern und ernüchternd.

"Abessinische Chroniken" von Moses Isegawa, 1998
Die Lebensgeschichte eines Uganders, seiner Eltern, seiner Großeltern vom Dorf, seine Frau(en), seine Arbeit, seine Mühen, seine Plagen. Ein dicker Schinken mit starken autobiographischen Elementen würde ich sagen. Ein direkter Blick ins pralle Leben und hinter die Kulissen des ugandisch-afrikanischen Alltags. Hier wird kein Blatt vor den Mund genommen, sondern das harte, derbe Leben so beschrieben, wie es tatsächlich ist. Lese ich gerade.

"Sie nahmen mir die Mutter und gaben mir ein Gewehr" von China Keitetsi, 2002
Die Autorin beschreibt aus ihrer persönlichen Perspektive ihren Lebens- und Leidensweg als Kindersoldatin im ugandischen Bürgerkrieg.

"Afrikanisches Fieber" von Ryszard Kapuscinski, 2001
Erfahrungen des polnischen Reporters aus 40 Jahren Afrika.

Saturday, 11 April 2009

Ursachenkomplex "Unterentwicklung"

Warum erscheinen mir manche Ugander hier manchmal so linkisch, so unbeholfen, um nicht zu sagen geradezu unfähig? Damit meine ich mit Sicherheit nicht meine Kollegen, denn die sind von ihrem Know-How echte Profis, aber der Mann oder die Frau hinter der Theke, der Handwerker, der Taxifahrer, der Bauer, der Straßenverkäufer, ja sogar Polizisten, Beamte und so mancher Politiker.

Einige Antworten dazu habe ich in dem Buch Elizabeth of Toro; die Odyssee einer afrikanischen Prinzessin; eine Autobiographie von Elizabeth Nyabongo gefunden (Toro ist ein Königreich im östlichen Uganda). Neben ihrer beeindruckenden Lebensgeschichte enthält das Buch so manche bestechende Analyse:

"...Nachdem die Kolonialherren die Führerschaft Uganda's [im 19. Jhdt.] erfolgreich entzweit hatten, brauchten die Behörden nur noch die Finanzen zu kontrollieren, damit König und Volk vollends von der Kolonialmacht abhängig waren. Durch die Vertäge von 1885, 1894, 1900 und 1906 und in Verbindung mit späteren Dektreten belegte die Britische Krone den natürlichen Reichtum Toros, einschließlich des Bodens, der Mineralvorkommen, des Elfenbeins und der Salzgewinnung mit Beschlag.
Mein Großvater [der König von Toro] hatte es zunächst abgelehnt, den Vertrag von 1894, in dem er 'Häuptling' von Toro und nicht 'Oberster Herrscher' genannt wurde, zu unterzeichnen. 'Wo sind meine Ländereien Busongora, Makara, Bulea und Mboga?' wollte er wissen. Die Erklärung dafür, daß Toro kleiner geworden war, lag bei der Berliner Konferenz von 1885, auf der die westeuropäischen Mächte Afrika willkürlich unter sich aufgeteilt hatten. Busongora und Makara war an Belgien gefallen, und später, auf der Konfernez von Brüssel, trat Großbritannien im Tausch gegen Arua, das Teil von Norduganda wurde, Mboga und Bulega an Belgisch Kongo ab.
Auch die Verträge von 1900 und 1906 wollte mein Großvater zuerst nicht unterzeichnen, weil seine eigenen Rechte und die des Volkes weiter unterhöhlt worden waren. Man warnte ihn, daß er nicht länger König bliebe, wenn er nicht unterschreibe. Für das Volk besaß die Legitimität des Thrones große Bedeutung. Man betrachtete das Überleben des Königs als gleichbedeutend mit dem Überleben Toros als Königreich, und die Toros appelierten an ihn, um des Landes willen zu unterzeichnen, was er dann schließlich auch tat.
...
Das Kolonildekret, das den Toros Bergbau und Veredelung verbot, fügte unserem Selbstvertrauen und unserem Erfindungsgeist einen nicht wieder gut zu machenden Schaden zu. Jahrhundertelang war das Reich von Toro für seine Eisenwerkzeuge und Waffen berühmt gewesen, und die Schmiede hatten eine lebenswichtige Rolle in der Gemeinschaft gespielt. Jetzt setzte das neue Dekret der über viele Generationen gesammelten Erfahrung und Kunstfertigkeit ein für allmal ein Ende.
Eine weitere Tragödie, die über die Toros hereinbrach, war die Massentötung ihrer Rinder, die stets ihren Hauptreichtum ausgemacht und ihre Unabhängigket begründet hatten. Seit Anbeginn der Zeit galt uns die Kuh als heiliges Tier, unsere Zivilisation und Kultur - Sprache, Dichtung, Religion, Rituale - künden davon. Die Kuh versorgte uns mit nahezu allem, was man braucht: Milch, geronnenes Blut und Fleisch als Nahrung, Felle für Bekleidung und Teppiche, Urin zur Hautpflege, Hörner für Leim und Gebrauchsgegenstände und Dünger für den Boden.
Die Kolonialbehörden wußten, daß sie die kulturelle, wirtschaftliche und von daher auch politische Vorherrschaft über die Toros kaum erlangen würden, wenn die reichen Viehbestände erhalten blieben. Deshalb nahmen sie eine grausame Reduzierung vor und mordeten das Vieh mit Impfstoffen hin, die sie aus Kulturen von Eiern der Tsetsefliege aus Botswana gewannen, die die Schlafkrankheit überträgt. Noch leben Augenzeugen wie mein Onkel mütterlicherseits, die Millionen Rinder sterben sahen. Erst kürzlich sagte er zu mir und zeigte dabei auf ein Stück Land: 'Dort drüben hat unsere Familie Tausende von Abertausende Rinder verloren - einfach so.'
Innerhalb kürzester Zeit war eine den Interessen Großbitanniens dienende Kolonialordnung geschaffen worden. Wie jede andere Kolonie wurde Toro dadurch zum Rohstofflieferanten für die britische Wirtschaft und seine Bürger zu wohlfeilen Arbeitskräften, anfangs mit Gewalt, später dann durch die Steuergesetze dazu gezwungen. Die Logik dieser Gesetze bestand darin, daß die Leute, da sie nicht in Naturalien zahlen durften, genötigt waren, gegen Entgelt zu arbeiten, um ihre Steuern entrichten zu können, und gelichzeitig sicherte dies den stetigen Nachschub an Billiglohnarbeitern. Die traditionelle Währung der vorkolonialen Zeit, Ensimbi, wurde aus dem Verkehr gezogen und durch Silbergeld ersetzt, das mit dem Porträt der britischen Königin Victoria versehen war.
Toro besitzt den fruchtbarsten Boden in Uganda und ein gemäßigtes Klima, das Europäern zusagt. Es ist also nicht verwunderlich, daß sich, ähnlich wie in Kenia und Südafrika, bald eine Gemeinschaft von weißen Siedlern bildete. Diesen Neuankömmlingen aus Europa stellte der Kolonialstaat riesige Ländereien und billige Arbeitskräfte zum Anbau von Gummi und Kakao zur Verfügung. Beabsichtigt war, eine ebensolche Plantagenwirtschaft zu entwickeln wie in Westindien, in Assam und Burma. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Preisverfall in den zwanziger Jahren, der zum Zusammenbruch des gesamten Gummihandels führte, besann sich der Kolonialstaat wieder auf eine bäuerliche Wirtschaftsform mit Kaffee- und Baumwollanbau auf kleinen, verstreuten Flächen. Aber auch da blieb die Baumwollerzeugung auf Ost- und Zentraluganda beschränkt und erreichte Toro bis in die letzte Hälfte der Regierungszeit meines Großvaters nicht.
Über Toro brachte die Einführung der neuen Ordnung unsägliches Leid. Afrika hatte mit seinen Kolonialbeamten weniger Glück als Indien. Die Provinz- und District-Commissioners zu meines Großvaters Zeiten waren gewöhnlich Militärs, die sich schlicht als Instrumente der Unterjochung verstanden. Die Unterdrückung erreichte ein solches Ausmaß, daß mein Großvater bei einer seiner täglichen Zusammenkünfte mit den britischen Commissioners wissen wollte: 'Was bedeutet Protektorat?' Mit anderen Worten: Waren die Schutzverträge, die Uganda zum britischen Protektorat erklärten, in Wahrheit nur eine Farce, Teil eines hinterlistigen und unmoralischen Plans, um das freie Volk eines unabhängigen Königreiches zu unterjochen? Hatte man nicht in Wirklichkeit eine Kolonie geschaffen?
Die Wahrheit enthüllt Lugard selbst, der diese Verträge beschreibt, als 'eine Farce, die Herrschaft durch Verträge zu erlangen. Es wäre sicher eher zu entschuldigen gewesen, wenn die europäischen Mächte ihren Interventionsanspruch offen auf Gewalt gegründet hätten statt auf eine Übernahme, die sie aus dem Erlöschen der Souveränität ableiteten, und das unter dem Vorwand von Verträgen, die nicht verstanden wurden und die den Mächten auch kaum eine angemessene legale Rechtfertigung lieferten' (aus: The Rise of Our East African Empire).
...
Toro war ein Polizeistaat geworden. Die Bevölkerung, insbesondere die Toro Frauen, die mit Kolonialbeamten schliefen, wurden zum Spitzeln angehalten. Sogar Kinder ließ man dabei nicht aus. Reverend Lloyd lud häufig Kinder zum Tee ein, nur um hinterhältige Fragen zustellen. Er sagte zum Bispiel: 'Ich habe ein Gewehr. Habt ihr auch eines zu Hause?' Girigi Winyi, ein Enkel der Königin, antwortete einmal ganz unschuldig: 'Ja.' Zum Glück war es registriert.
Mein Großvater berichtete, wie er für jedes Unrecht, das man seinen Untertanen nachsagte, mit Geldstrafen belegt wurde. Er befand sich in einer unmöglichen Lage. Die Verfassung verpflichtete ihn, den 'Rat' Ihrer Majestät der britischen Königin - was in jedem Fall gleichbedeutend war mit 'Befehl' - zu akzeptieren. Verweigerung hätte den Entzug der Anerkennung durch die britische Regierung und damit Exil zur Folge gehabt. Anders gesagt: Man erwartete von ihm, lediglich Agent des Kolonialstaates zu sein und dessen Interessen zu vertreten, in Wahrheit also den Verrat an seinem Volk.
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Die christlichen Missionare wirkten anfangs tatsächlich als mäßigender Faktor. Die Kolonialregierung, die ihre Autoriät dadurch untergraben sah, empfand die Dank der Erziehung und Ausbildung durch die Kirche zu verzeichnenden Fortschritte der Toros als so alarmierend, daß sie Einhalt zu gebieten versuchte und den Missionaren befah, kürzer zu treten. Das schränkte die Unabängigkeit der Kirche und folglich auch ihren Einfluß ein. Es kam zu einer Veränderung der Erziehungsinhalte und der Einstellung zur Erziehung. Allmählich vollzog sich eine Wende - weg von der Erziehung in der Gemeinschaft, die das individuelle soziale Bewußtsein und die Einsicht in die Pflichten des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft entwickeln soll, hin zu einer Erziehung im Klassenzimmer, deren Ziel es geworden ist, die Fähigeiten zur Sicherung des sozialen Status innherhalb der Gesellschaft zu erwerben. Langfristig gesehen, hat diese Wende zur gegenwärtigen Zwietracht in Afrika geführt, und zwar insoweit, als sie zur Herausbildung einer egoisischen Führerschaft ohne soziales Gewissen beigetragen hat, einer Führerschaft, die der Gemeinschaft als fremd gegenübesteht.
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Dann brach der Zweite Weltkrieg aus, der zum Niedergang der Imperien Großbritanniens und Frankeichs führte und den Vormachtsanspruch der Vereinigten Staaten von Amerika sichtbar machte, die die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kolonien unterstützten. Die weltweite Beseitigung des Kolonialsystems wurde auf diese Weise unvermeidlich, und sowohl in Uganda wie anderswo war es nicht mehr die Frage, ob die Unabhängigkeit je gewährt, sondern wem der Kolonialstaat anvertraut werde würde. Die britische Entscheidung zielte darauf ab, den britischen Einfluß zu erhalten und die wirtschaftliche Ausbeutung des Landes fortzusetzen. Zu diesem Zweck mußte das politische System Großbritanniens auf Uganda übertragen werden. Es galt, die Staatsgewalt eiligst formierten politischen Parteien zu überantworten und das jahrhundertealte, wohlorganisierte einheimische System zu umgehen. Nach achtundsechzig Jahren britischer Kolonialherrschaft fanden 1961, nur ein Jahr vor der Unabhängigkeitsgarantie, die ersten allgemeinen Wahlen statt. Afrikaner waren noch bis 1958 wohlweißlich von einer Beteiligung an der zentralen Legislative (einem Parlament mit embryonaler Souveränität) ausgeschlossen, in diesem Jahr aber erlaubt man ihnen, zehn Vertreter in eine immer noch nicht repräsentative gesetzgebende Versammlung zu wählen. An der zentralen Exekutive durften sie erst im Mai 1962, fünf Monate vor der Unabängigkeit, teilhaben. Während die maßgeblichen Organe des Staates, namentlich die Armee, die Gerichte, die Legislative wie die Exekutive, sämtlich von Nichteinheimischen geführt wurden, war die ersten Generation der gebideten Elite vornehmlich vom Verwaltungsdienst aufgesogen worden; die politische Führergemeinschaft entbehrte jeglichen Formats und das politische Bewußtsein des Volkes war unterentwickelt.
Im Gegenteil zu der von den Briten neu geschaffenen Zentralregierung waren in den Regionen die wichtigsten Organe, Gerichte, Legislative, Exekutive und Verwaltung gänzlich mit Afrikanern besetzt, die über jahrhundertealte Erfahrungen im Umgang mit der Macht verfügten.
Daß man Uganda ein fremdartiges System aufzwang, hatte in poltischer wie sozialerHinsicht katastrophale Folgen. Der Grundkonflikt zwischen der Zentralregierung - dem Nachfolger des Kolonialstaates - und den regionalen Königreichen spitzte sich zu einem Konflikt zwischen Diktatur und Demokratie zu. Durch die beiden Staatsstreiche Obotes von 1966 und 1967 waren die Königreiche und anderen Regionen vernichtet worden. Unter Obote und Idi Amin setzte die afrikanische politische Führung die Politik der Briten fort, mit Gewalt und Betrug einen Gesamtstaat Uganda zu schaffen, was ganz unvermeidlich dazu führte, daß sich der Staat von selbst auflöste und unsere gesamte Kultur und Zivilisation demontiert wurde.
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Idi Amins Welt: Es ist zu bezweifeln, ob Präsident Idi Amin bestimmte schwierigere Regierungskonzepte je begriff. Aber obwohl diese Unfähigkeit, die Konsequenzen seines Tuns voll zu verstehen, in gewisser Weise einen Teil seiner Stärke ausmachten - insoweit jedenfalls, als er und seine Regierung sich nie durch reine Untätigkeit einen Schaden zufügten -, war eine solche Beschfränkund eben auch seine Schwäche, denn sie bedeutete, daß er leicht zu lenken war. In den Arbeitsabläufen des Regierungsgeschäfts - Kabinettssitzungen und andere wichtige Zusammenkünfte - war Amin leider nicht sehr bewandert, weil er nach Soldatenart nie länger an einem Ort blieb, sondern hierhin und dorthin hastete und dabei einen Hofstaat von Sekretären, Verwaltungsbeamten und Ministern im Kielwasser hinter sich her schleppte.
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Viele Länder hatten ihre Gründe, sich nicht darum zu kümmern, ob und wie Amin sich im Amt hielt. Entsprechende dem Bild, das der Westen von Schwarzafrika hat, haben die Regierungen Narren und Gauner wie Amin immer als nützlich für den Beleg ihrer These empfunden, daß schwarze Länder unfähig sind, sich selbst zu regieren. Vieles trug dazu bei, daß sich Amins Regime so lange halten konnte, nicht zuletzt die nackte Brutalität des Präsidenten und seine Art, sich anmaßend über Konventionen und Protokoll hinwegzusetzen. Für ihn existierten keine Regeln und Gesetze, weder im eigenen Land noch auf internationaler Ebene - ausgenommen natürlich jene, die seinen Launen entsprachen.
Aber Idi Amins unberechenbares Temperament steigerte seinen propagandistischen Wert. Anfangs von eben jenen Mächten unterstützt, die erklärten, sie fänden Obote unakzeptabel, aber Amin nicht weniger, sollte der Präsident von Uganda auch einen gewissen Zweck erfüllen - er sollte zu einer Zeit, da in Südafrika und anderen Ländern der Dritten Welt um die Unabhängigkeit gekämpft wurde, als Maßstab für schwarze Regierungsgewalt in Afrika dienen. Wegen seiner bombastischen Äußerungen, seiner nutzlosen Versuche, die eigene Unzulänglichkeit zu kompensieren, und wegen seiner Unfähigkeit zu verstehen, was hinter seinem Rücken vorging, erwies sich Amin für weiße Rassisten als ein unschätzbares Geschenk dem weißen Bewußtsein wurde die schwarze Inkompetenz eingeprägt."

Elizabeth Nyabongo ist seit einigen Monaten ugandische Botschafterin in Deutschland.