Sunday, 15 February 2009

Zuhause!

Ich habe lange nichts mehr geschrieben…
Keine Sorge, mich gibt es noch und es geht mir auch gar nicht schlecht, aber irgendwie hatte ich noch nicht das Gefühl, hier so richtig angekommen zu sein…oder gar ein neues Zuhause gefunden zu haben…bis vor einer Woche…
Am letzten Samstag sind wir endgültig in unser neues Haus eingezogen. 2 Monate im Guesthouse und einem provisorischen Haus voller Mücken, mit Matratzen auf dem Boden und fast ohne Möbel, haben nicht gerade zur Stimmung beigetragen. In den 2 Monaten gab es tolle Erlebnisse, sehr nette Menschen, lustige Partys und viel Neues zu entdecken. „Zuhause“ angekommen dann nur 2 Matratzen im Schlafzimmer, eine im Wohnzimmer und einen wackeligen Plastiktisch…Stimmung pur eben ;-)
Aber seit 1 Woche ist alles anders!
Der Umzug hat mir Spaß gemacht wie bisher keiner! Die Möbel waren schon gekauft oder reserviert bei einem Holländer der gerade das Land verlässt. 3 volle LKW-s, ein Sofa-Set, ein Sideboard, 2 Kinderbetten, ein paar Regale…


Im neuen Haus angekommen, gleich in den ersten 2 Tagen mit großer Leidenschaft ALLE Kisten, Tonen und Koffer ausgepackt und auf „Langenimmerwiedersehen“ in den Keller gepackt!

Jawohl! Das Warten hat sich gelohnt, die Brenke’s haben ein neuen Zuhause! Ein ganz tolles!


Ein Haus mit viel Licht, schönem großen Garten, ca. 10 km vom Stadtzentrum in einem sehr netten Dorf, nur 300 m vom Lake Victoria...


und....
Tibo,
dem treuen Wachhund

Stöpsel,
dem energievollen Spielhund

Willy Wonker,
dem immer hungrigen Schmusekater

und 3 Schildkröten!

Leona und Adrian sind im Glück, Benedikt auch und ich… ich durfte heute bei 30 Grad (!), in einer sehr netten Runde, unter unserem Avocadobaum meinen Geburtstag feiern…
und mich über das schönste Geschenk freuen…ein gemütliches Zuhause!
Bin doch eben eine richtige Frau…erst das Nest, dann der Rest!
Bis bald, Eure Mirella

Wednesday, 4 February 2009

Microfinance at its worst

Ich bin noch einmal mit meinen Kollegen upcountry unterwegs. Wir führen einen Membership Satisfaction Survey durch, um unser Gespür zu verbessern, was wirklich am dringendsten benötigt wird. Dabei plaudern meine Kollegen, die teilweise schon ein Dutzend Jahre Erfahrung auf dem lokalen Mikrofinanzmarkt haben, auf der Fahrt mal etwas aus dem Nähkästchen...

Meine Kollegin hat als "Loan Collector" bei einem Institut gearbeitet, d.h. sie besucht die säumigen Kreditnehmer auf ihren Dörfern in ihren Hütten, um mit ihnen Lösungen zu erarbeiten, wie sie den Kredit zurückzahlen können, wenn jemand in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Dabei haben unterschiedliche Institute unterschiedliche Herangehensweisen. Keine Sorge, keine russischen Mafiamethoden. Aber immerhin... Ca. 80% der Ugander leben von der Landwirtschaft in Form von Subsistenzwirtschaft. D.h. der Boden ist für die Familie das wichtigste überhaupt - ungefähr so wie bei uns der Fernseher oder das Auto ;-)

Bei einem Kunden kamen und kamen sie nicht voran. Er gab sich einfach zahlungsunfähig, war außerdem noch krank und kein noch so guter Vorschlag und keine Anregung trug Früchte. Es erweckte den Anschein, dass es ihm einfach ganz egal war, dass er den Kleinkredit nicht zurückzahlen kann. Er bewegte sich keinen Millimeter und schien auch nicht im geringsten betroffen. Erst später haben sie herausgefunden, dass das wohl kein Desinteresse war, sondern schon echte Apathie. Schließlich haben sie ihm gedroht, sein Land zu pfänden, wenn er sich nicht bemühen würde, den Kredit zumindest abzustottern, denn schließlich belastet der mit seinem Versäumnis alle anderen Sparer und Kreditnehmer. Einige Tage später kamen sie zurück, um erneut auf ihn einzuwirken - leider nur, um festzustellen, dass ihr Kunde in der Nach nach ihrem letzten Besuch verstarb.

Bei einem anderen Besuch, war es eine Frau, die sich Geld geliehen hatte, und Schwierigkeiten hatte, ihren Kredit zu bedienen. Meine Kollegin und ein damaliger Kollege von ihr diskutierten mit der Frau in ihrer Hütte über einen Zahlungsaufschub und mögliche alternative Rückzahlungsmöglichkeiten, z.B. in Form von Naturalien, (Ziege, Kannen, Töpfe, o.ä.). Aber irgendwie versuchte sie wohl zu pokern und sich aus der Affäre zu ziehen. Die Gespräche wurden schwieriger und die Fronten verhärteten sich - als wiederum das Gespräch aufs Land kam, das die Frau wohl ohne das Wissen ihres Mannes als Garantie gegeben hatte. Der schlich wohl während des ganzen Gespräches um die Hütte herum und als er dann mitbekam, dass diese beiden ihm möglicherweise sein Land nehmen wollten, stürmte er zornentbrannt davon, nur um wenige Minuten später bewaffnet mit Speer, Machete und wütendem Gebrüll wieder zurück zu stürmen. Die beiden sprangen auf die Füße, und rannten so schnell sie ihre Füße trugen zurück zum Wagen, riefen dem Fahrer schon von weitem zu, er soll den Motor anmachen und brausten davon! Der Kredit haben sie als "non-recoverable" eingestuft und machen seither einen weiten Bogen um das Dorf ;-)

Kann man es jemandem wirklich verübeln?

Häufig hört man in den Entwicklungshelferkreisen Klagen über den Fatalismus und das Phlegma der afrikanischen Partner. "Die ziehen einfach nicht richtig mit!" wird da manchmal geklagt, und es fehlt das "Ownership" als großes Schlagwort.

Ich sitze mit meinen Kollegen im Auto und wir holpern über die staubigen Schlaglochwege und sie erzählen mir von früher, von ihrer Kindheit und Jugend.

Meine eine Kollegin lebte früher in Masaka im Südwesten von Kampala. Als Tansania 1986 in das Uganda von Idi Amin einmarschierte, geschah das natürlich auch nicht mit Palmenzweigen und Gummibällen. Als die Familie mitbekam, dass die tansanischen Truppen kommen haben sie eine Tasche mit Essen gepackt und sind ab in den Busch, um sich zu verstecken. Noch am selben Abend wurde ihr Haus komplett ausgebombt - dem Erdboden gleich gemacht. Schon vorher lebte die Familie in ständiger Angst. Nicht vor den tansanischen Befreiern/Invasoren, sondern vor den Häschern Idi Amin's, die sich manchmal wahllos bereicherten. So ist z.B. die Tante meiner Kollegin damals nach Einbruch der Dunklheit immer ängstlich durchs Haus gehuscht, um die Lichter zu löschen. Das Höchste, was sie erlaubte war eine kleine Kerze in der Zimmerecke.

Und tatsächlich sollte sie Recht behalten; denn eines Abends tauchte ein besoffener Soldat bei ihnen im Garten auf, pöbelte ein herum und verlangte Whiskey. Sie sollen im Whiskey geben!!! Natürlich hatten sie keinen Whiskey und versuchten ihn dann mit Geld zum fortgehen zu überreden. Das Geld nahm er natürlich auch an, dummerweise hatten sie aber vergessen, ihren Fernseher unter dem Tisch zu verstecken, was sie sonst immer getan hatten, wenn jemand ins Haus kam. Der Soldat fuchtelte mit seinem Gewehr herum und drohte ihnen mit seiner verschwitzten Grimasse und mit seinem stinkenden Atem. Er drohte, sie alle zu umzubringen, wenn sie ihm nicht den Fernseher mitgeben. Weil er ihn nicht selber tragen konnte, kommandierte er kurzerhand ihren Onkel dazu ab: Er solle den Fernseher für ihn nach draußen auf den Karren tragen. Dem Onkel blieb keine große Wahl und so trug er den Fernseher nach draußen.

Nachdem er den Ferseher draußen abgeladen hatte, fiel dem Soldaten noch etwas ein: Die Nachbarn! Nur hatte das Nachbarhaus eine Mauer und ein Tor, also kam er da nicht ohne weiteres hinein. Er schlug und hämmerte also gegen das hohe Holztor, dass es donnerte und krachte. Fast hätte er den Onkel meiner Kollegin, der immer noch zitternd herumstand, vergessen. Dann aber hat er ihn gepackt und ihn angeschrien, er soll denen da drinnen sagen, die sollen gefälligst aufmachen! Er müsse das Haus durchsuchen. Der Onkel flehte seine Nachbarn kläglich an, aber von drinnen kam natürlich nur Totenstille als Antwort.

Irgendwann wurde es dem Soldaten dann zu blöd und er und ein paar Kollegen packten den armen Onkel und warfen (!) ihn über das Tor. Drüben landete er mit einem dumpfen Aufschlag und die Soldaten schrien ihm zu, er solle jetzt das Tor aufmachen. Als er nicht sofort reagierte, erkannten die Soldaten wohl, dass sie einen ziemlich dummen Fehler gemacht hatten, denn jetzt war er halt auf der anderen Seite - geschützt durch die Mauer und das Tor. Aus Wut haben sie einfach wahllos durch das Tor durchgefeuert, bis das Magazin leer war. Dann herrschte wieder Totenstille und die Soldaten zogen mürrisch weiter.

Niemand traute sich hinaus. Die ganze Nacht nicht. Erst am nächsten Morgen kamen die Nachbarn hinter dem Haus über das Feld zum damaligen Heim meiner Kollegin und meinten, bei ihnen läge ein toter Mann vorne im Garten, ob denn wüßten, wo der herkäme.

Heute sitzt sie mir gegenüber an ihrem PC, Air-Condition im Raum, bequemer Schreibtischstuhl mit hoher Rückenlehne, gekleidet in leuchtenden Farben und erwartet gerade ihr zweites Kind. Sie ist verheiratet, verdient ca. 1000 € im Monat, fährt einen weißen Toyota Corolla, browst gerne im Internet, ratscht mit ihren Freundinnen am Handy, und lässt sich manchmal von ihrer Housemaid bekochen.

Nun, verglichen mit den Erlebnissen ihrer Jugend ist das ein gewisser Unterschied. Es ist eigentlich so krass, dass ich mir diesen Unterschied gar nicht wirklich vorstellen kann. Und wenn jemand von ganz dort "unten", wo sie herkam, es zu so viel Wohlstand geschafft hat - kann ich es ihr wirklich übelnehmen, dass sie sich zurücklehnt und denkt: So weit so gut. Ich glaube, ich habe so ziemlich alles erreicht, was ich in diesem Leben erreichen hätte können. Mehr geht nun wirklich nicht. Noch mehr oder etwas noch besseres kann ich mir gar nicht vorstellen - warum also soll ich mir hier auf meinem Posten ein Bein ausreißen?

Tja. Und neben ihr sitzt der hochmotivierte, auf Wettbewerb, Effizienz und Erfolg getrimmte Europäer, der nur darauf brennt, hier alles zu verändern und zu verbessern. Klar, dass hier zwei Welten aufeinander prallen. Aber kann ich meiner Kollegin ihr Einstellung wirklich übel nehmen? Ich kann sie zumindest gut verstehen. Ich kann es verdammt gut verstehen, dass sie für sich und ihre Familie eine Sicherheit und einen Wohlstand erreicht hat, von dem sie vor 20 Jahren wahrscheinlich noch nicht einmal hätte träumen können. Ich kann es ihr also nicht wirklich übelnehmen. Aber dennoch - für mich bleibt der Anspruch: Es gibt noch mehr als "ich und meine Familie". In Uganda leben inzwischen knapp 30 Mio. Menschen, der Großteil davon lebt von der Hand in den Mund und etwa die Hälfte von ihnen ist unter 15 Jahre alt mit düsteren Berufsaussichten. Beim Blick über den eigenen Tellerrand weiß ich, dass es hier genug Gründe gibt, aktiv zu sein.
04/02/09

Sunday, 1 February 2009

Upcountry

Upcountry heist hier “außerhalb von der Hauptstadt Kampala unterwegs sein”. Ich besuche meinen DED Kollegen Reinhold in Lira. Er war früher Vertriebsleiter und Prokurist bei einer ländlichen Genossenschaftsbank, hat sich aber nun entschlossen mit dem DED für eine Partnerorganisation in Lira zu arbeiten. Lira ist eine der wenigen größeren Städte in Uganda und liegt ca. 300 Km nördlich von Kampala. Ich leihe mir für die Tour auch einen starken Toyota Pickup. Die Straße nach Lira wurde vor kurzem ausgebaut und ist eigentlich in sehr gutem Zustand. Ich frage mich noch, was die eigentlich alle haben mit ihren Beschwerden über ugandische Straßen - ich brause hier mit bis zu 140km/h über den Asphalt.

...bis dann plötzlich gut versteckt hinter einer Kuppe die Road-Humps anfangen. Die Strecke wird ausgebaut und damit die Straßenarbeiter hierbei nicht ihr Leben riskieren werden rigoros alle 20m Road-Humps aufgeschüttet. Auf einer Strecke von fast 10km, eine echte Killertortur für das Rückgrat, den Magen, den Hals, den Kopf, eigentlich für alles.
Danach wir die Straße spürbar schlechter, bis sie schließlich richtig beschissen ist. Der einzige Vorteil, es sind kaum noch Autos unterwegs. Allerdings ist es auch gut so, den auf den Straßen möchte ich auch nicht viel mehr Autos auf einmal begegnen...





Nach ca. 6 Stunden Fahrt bin ich in Lira. Lira ist die Stadt der Fahrräder. Ein buntes Treiben erfüllt die Stadt, die aber ansonsten ohne herausragende touristische Reize ist. In Lira besuche ich die Mid-North Private Sector Development Company, eine von der UNDP gegründete lokale Organisation, die sich mit dem Auf- und Ausbau von privaten Wirtschaftsinitiativen beschäftigt. Macht von Außen nicht viel her, wird aber mit viel Herz und Energie geführt.



Wir besuchen ein SACCO (SAvings and Credit COoperative) in der Nähe von Lira. Ein SACCO ist vergleichbar einer deutschen kleinen, ländlichen Genossenschaftsbank. Es ist so eine Art Sparverein. Man muss Mitglied werden und kann dann sein Geld zum Sparen dorthin bringen. Wenn man einige Monate fleißig gespart hat, dann kann man einen Kredit beantragen, der z.B. das dreifache der eigenen Sparsumme beträgt. Alle 2 Jahre wird ein Management gewählt, das sich ums operative Gesellschaft kümmert (Cashier, Executive Director, Accountant, etc.) und ein “Board“, das das Management kontrolliert und über wichtige Themen entscheidet, z.B. Höhe des Spar- und Kreditzinses, größere Anschaffungen, etc. große SACCOs haben mehrere tausend Mitglieder und rd. 5000 Euro Kreditvolumen. Wir besuchen das SACCO Barr in der Nähe von Lira. Es geht richtig raus aufs Dorf. Es gibt in Uganda nur eine CITY: Kampala. Dann gibt es noch einige TOWNS, das ist z.B. auch Lira. Und dann gibt es die VILLAGES, die haben häufig keinen Strom und bestehen aus Bandas (runden Lehmhütten mit Strohdächern).

Dort in Barr steht irgendwo hinten im Dorf das SACCO. Gleich vorne sind zwei einfache Schalter eingerichtet, in denen Geld angenommen und ausbezahlt wird, direkt daneben ist das Backoffice, das in diesem SACCO von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mit Computern ausgestattet wurde.






Eine Kollegin macht hier eine Umfrage zum Thema “Gleichberechtigung von Frauen im Management von SACCOs” und ich nutze diese Gelegenheit, um mich als stiller Zuhörer mit dazu zu setzen und zu lernen, wie die Dinge hier so laufen und was die Leute hier so beschäftigt. Superschön finde ich bei einer Gruppe von Frauen, die befragt wird, die Kleidung. Einige von Ihnen tragen eine traditionelle “Goma”, die an den Schultern spitz zuläuft.

Anschließend geht es weiter. Noch weiter ins Land hinein, ich werde eine sogenannte Village Saving Group besuchen. Eine Village Saving Group, das sind einfach interessierte Leute aus den umliegenden Dörfern, die sich zusammentun, dann ein paar Wochen lang jeden Sonntag geschult werden und sich anschließend jeden Sonntag treffen, um zu sparen und das gesparte Geld dann als Kredite untereinander vergeben. Die Sparsumme pro Woche beträgt in der Regel 1000 Shilling (40 Cent), die Kreditsumme wird mit einer Laufzeit von 1-4 Wochen und beträgt ca. 4-10 Euro. Das ganze findet so richtig im afrikanischen Nirgendwo statt. Die “Straße” ist kaum mehr als ein Trampelpfad, bis wir schließlich an einem Dorf ankommen und uns dort auf einer Wiese unter einem Mangobaum niederlassen, Zuckerrohr kauen (bei mir läuft das noch nicht ganz so gemütlich...), und auf die Mitglieder der Spargruppe warten, die nach und nach eintrudeln.












Dabei muss ich mich daran gewöhnen, eine Zirkusattraktion zu sein. Es fängt damit an, dass Mamas ihren 2jährigen Kindern zeigen: “Ahhh, look there! That’s a Muzungu!” Eine Frau verdreht ihrem Kind sogar extra den Kopf, damit es mich anschaut. Das Pendant in Deutschland wäre, wenn Mama dem Kind im Park zeigt: “Da! Schau! Da vorne läuft ein Eichhörnchen!” Oder ein Pferd, oder ein Schaf, oder ein Esel. Irgendetwas, was man halt nicht alle Tage sieht, weil es nicht zum normalen Stadtbild gehört - was man als Kind aber eben dennoch kennen sollte. Tja, und so kommt es dann, dass die 6jährigen einem dann schon von weitem entgegenrufen: “Hello Muzungu, how are you?” und “Bye Muzungu!”. Man bekommt grundsätzlich einen Ehrenplatz angeboten und wird mit ein paar wohlwollenden Worten willkommen geheißen. Wildfremde Leute auf der Straße grüßen einen im Vorbeigehen und wenn man in ein Büro hineinkommt, muss man jedem erst mal fleißig Hände schütteln. Auf dem Dorf kann das fast schon das Ambiente eines Heilsbringers haben.
Nach einigem Warten beginnt schließlich Dennis, ein Ugander, der als lokale Fachkraft ebenfalls in der Entwicklungshilfe arbeitet, die anwesende Gruppe zu briefen. Er erzählt den Anwesenden in der lokalen Sprache (Luo) erst etwas über “Time Management”, dass sie pünktlich seien sollen und sich an ihre Verabredungen halten sollen. Denn wenn sie sich hier regelmäßig als Spargruppe treffen wollen, dann müssen alle zum verabredeten Zeitpunkt da sein, sonst findet eben keine Spargruppe statt. Und dann erklärt er noch einmal die Grundregeln: Es gibt eine Sparbox aus Metall mit drei Schlössern. Drei Personen werden als Keyholder bestimmt, die haben dann jeweils einen Schlüssel. Die Sparbox steht bei einer vierten Person, und nur wenn alle drei beisammen sind, kann die Box geöffnet werden. Dann gibt es noch den Chairman, den Secretary, und zwei Money-Counter. Jedes Mitglied der Spargruppe bekommt ein kleines Sparbuch, in dem seine Ersparnisse als Symbol mit einem Stempel eingetragen werden und ebenso die Kredite, die er ggf. nimmt. Der Secretary bekommt ein großes Schreibheft und die beiden Money-Counter einen Solar-Taschenrechner. Hier ein symbolisches Foto der Utensilien:


Und Dennis, der seine Sache echt großartig macht.




Und irgendwann merke ich dann, wie Leute immer mehr sich zu mir umdrehen, als ob sie etwas erwarten würden. Dennis spricht das unausgesprochene Anliegen schließlich auf den Punkt und fragt mich, ob ich der Gruppe nicht etwas zu sagen hätte. In Gedanken antworte ich natürlich sofort “Nein!”, aber das wäre einfach falsch. Also: Was habe ich zum Thema Sparen und die Wichtigkeit davon zu sagen? Eigentlich habe ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht... aber mit dem notwendigen Adrenalin fällt mir an dieser Stelle doch noch eine kleine Story ein, die auf befälliges Gemurmel stößt.



Zum Abschluss stimmen alle sogar noch ein Dankeslied an, und mir ist das alles eigentlich so peinlich, dass ich am liebsten im Erdboden versinken würde. Hey, ich bin eigentlich nur hierher mitgekommen, um mir das mal anzuschauen und was zu lernen. Aber für manche hier bin ich als Weißer fast wie ein Messias; eine ganz besondere Erscheinung eben, die ihnen deutlich macht, dass diese Spargruppe etwas ganz Spezielles und Tolles ist. Ein ganz komisches Gefühl ist das für mich. Sich aber in guter deutscher Sitte möglichst bescheiden zu geben, sich ganz und gar zurück zu halten und allen Dank dankend ab zu lehnen, das wäre noch viel falscher - so zumindest mein Empfinden. Es würde auf völliges Missverstehen stoßen, so als ob ich nicht bereit wäre, Ihnen zu helfen, oder als ob sie es mir nicht wert wären, ihnen zu helfen. Ein ganz komisches Gefühl irgendwie. Aber wieder bin ich beeindruckt von der Energie und dem Glauben der Menschen, dass alles besser werden kann. Ein Optimismus und ein Wille und ein Wunsch, die Dinge zu verändern und zu verbessern, den ich bewundernswert finde. Woher jemand diesen Impuls hernimmt, der in einer dieser Lehmhütten ohne Strom, fließend Wasser, Ungeziefer, Hitze und ungenügender Schulbildung aufgewachsen ist und nichts kennt außer die umliegenden Dörfer, in denen genau die gleiche Monotonie herrscht, ist mir ein Rätsel und gleichzeitig der Stein auf dem ich meine Arbeit hier baue.

Wir besuchen anschließend noch einige weitere Spargruppen, die teilweise schon weiter sind, als die erste. Diese sind nun schon seit einigen Wochen fleißig beim Sparen und haben prompt auch ein paar Fehler gemacht, wie z.B. die Beiträge nicht ordentlich erfasst oder die Kredite nicht wieder ordnungsgemäß eingefordert. Bei einer anderen Spargruppe darf ich Zeuge davon werden, wie ein Kredit ausgezahlt wird: Die beiden Money-Counter machen 20 Stapel zu je 1000 Shilling und die werden von der Frau sorgfältig eingesammelt. Sie wird damit ein Gemüse kaufen, was es momentan hier gerade günstig zu kaufen gibt und wird es nach Lira transportieren, um es dort zu verkaufen und erwartet dabei einen entsprechenden Gewinn. Eine andere 72jährige Frau, hat für 4000 Shilling (2 Euro) kurzerhand eine Wiese, auf der das Gras nutzlos und hüfthoch stand, von einem Mann schneiden lassen und es anschließend für 8000 Shilling (4 Euro) als Baumaterial für Dächer verkauft. Das hat sie quasi über Nacht zur Dorfheldin werden lassen :-)





Todmuede und wie in Trance komme ich nach Hause zurück. Ich war so richtig im tiefsten afrikanischen Nirgendwo und die Bilder und Eindrücke werden sicher noch lange nachhallen.